In Tieflagen Schneefall

Die grottenschlechten Lieder des Rainhard Fendrich schrieben sich nicht von selbst, sondern mit Kokain im Wert eines Ferraris. Jetzt singt der Barde vor der Polizei – in ausführlicher Version

AUS WIEN ROBERT MISIK

Seit 25 Jahren liefert Rainhard Fendrich die grauenhaftesten Schlager der österreichischen Popmusik ab. Sie tragen Namen wie „Schickeria“, „Es lebe der Sport“, „Macho, Macho“, verantwortlich ist er auch für die Doofpatriotenhymne „I Am From Austria“. Des Weiteren kennt man den 52-jährigen Wiener als Musicalsänger und als Fernsehmoderator, seit er von Rudi Carrell die Sendung „Herzblatt“ übernahm, auch über die Grenzen Österreichs hinaus.

Fendrich ist einer, bei dem man sich auch nicht so leicht mit der Großen-Fritz-Variation trösten kann, dass sich doch eben jeder nach seiner eigenen Fasson lächerlich machen möge. Nein, Fendrichs großspuriges Künstlergetue bei absoluter Abwesenheit von jedem Talent und jeder Kreativität ist auch für den langmütigsten Zeitgenossen nur schwer auszuhalten.

Und jetzt das: Seit 15 Jahren, stellt sich nun heraus, ist Fendrich schwer auf Koks. Aufgeflogen ist er eher zufällig, weil die Wiener Polizei einen Dealer beschattete, der die Wiener Schickimickiszene belieferte, und diesen gerade inflagranti erwischte, als er Fendrich in einem Wiener Hotel Stoff für 140 Euro übergab. Der Händler, bekannt als „der kleine Fredi“, hat Fendrichs Freundeskreis in einer Kneipe, gerade 40 Meter vom Bundeskanzleramt entfernt, seit Jahren mit Nachschub ausgestattet.

Für Fendrich, diese Ikone des Mittelmaßes, diesen Traum mittelständischer Schwiegermütter, gilt: Das Koksen war bestimmt das Exzentrischste, was er in seinem ganzen Leben getan hat. Und dennoch bleiben bohrende Fragen: Heißt es denn nicht, Koks steigere die Kreativität und Fantasie? Schreckliche Vorstellung: Wie hätten Fendrichs Songs erst geklungen, wäre er nicht auf Koks gewesen? Wären sie gar noch schrecklicher geraten? Oder ist die Droge selbst verantwortlich für die Persönlichkeitsveränderung, die aufgedrehte Zurschaustellung, den rauschhaften Realitätsverlust, die ja schließlich notwendige Vorbedingungen dafür gewesen sein müssen, dass dieser Mann sich für einen Künstler hält?

Sicherlich „einen Ferrari“ habe er sich in den letzten 15 Jahren durch die Nase gezogen, räumt Fendrich heute ein. Bei der Einvernahme durch die Polizei sang der Barde, wie es sich ein Inspektor nur wünschen kann. Er gestand alles. Seine engsten Freunde stehen jetzt nach Fendrichs Aussage mit einem Bein im Gefängnis – ein bekannter Ex-TV-Moderator und Ex-Late- Night-Comedien, ein Heurigenwirt, ein Promischneider, ein Filmregisseur werden sich demnächst wohl vor Gericht verantworten müssen. Der Entertainer selbst ließ über einen Anwalt die Erklärung verbreiten, er habe sich „mehr und mehr in eine Abhängigkeit begeben, ohne es mir einzugestehen“.

Doch als er der Polizei gegenübersaß, „wurde mir klar, dass ich ohne fremde Hilfe nicht mehr aus diesem Teufelskreis herauskomme“. Ob dieses Errettungserlebnisses angesichts der Grünröcke habe er sich sofort „mit einem Arzt meines Vertrauens auf Mallorca zurückgezogen“. Der Drogenkonsum eine Krankheit, die er jetzt mit aller Kraft bekämpfe, er selbst ein Opfer der Umstände, fest entschlossen, künftig auf den Pfad der Cleanness zu wandeln, geständig und bereit, alles zu sagen.

Die Kommunikationsstrategie ist natürlich schon der Grundton der Verteidigung in dem Strafverfahren, mit dem Fendrich möglicherweise zu rechnen hat. Eine Bewährungsstrafe bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe sind wahrscheinlich. Möglich ist allerdings sogar, dass die Strafanzeige zurückgezogen wird, wenn Fendrich beweisen kann, dass er eine Zeit lang clean gewesen ist. Da macht der Kokainist natürlich auf braver Reinhard und hält sich genau an das Skript für solche Fälle. Wer will es ihm vorwerfen? Und doch ist das alles so klein und jämmerlich. Man kann auch sagen: österreichisch. Anderswo gibt’s Kate Moss und Pete Doherty, die für die Drogen-Schlagzeilen sorgen. In Wien sind es die rotgesichtigen Austropopper, die sich zwischen Bundeskanzleramt und Café Griensteidl eine Straße reinziehen, weil sie sonst „dem Stress“ nicht mehr gewachsen wären, und tränenreich um Vergebung bitten, wenn man sie dabei erwischt, die, gewissermaßen, im Ernstfall scharf auf die Straße der Tugend einschwenken.

So ist die Causa Fendrich auch ein Lehrstück im Kleinen. Dessen Botschaft: Entweder wildes Leben oder braver Bub. Exzess oder Mittelmaß. Besser: In Österreich ist schon das Mittelmaß der Exzess. Und für Fendrich gilt ab nun natürlich: Es lebe der Sport.