Grüne Jugend will Partei sozialer machen

„Nur Öko ist zu wenig“, meint der grüne Nachwuchs und fragt: „Wo bleibt die Gerechtigkeit?“ Der Wunsch: ein Umbau des Sozialstaats nach skandinavischem Vorbild. Parteichef lehnt Forderung nach Grundeinkommen ab und bittet um Realismus

AUS JENA GESA SCHÖLGENS

Fastfood ist ein Politikum. Zumindest in der Grünen Jugend (GJ). Unter „McDonald’s muss weg!“-Rufen besetzten einige Mitglieder am Samstag während des Bundeskongresses eine Imbissfiliale in Jena. Anschließend fragte einer der Besetzer seinen Kumpel: „Warum hast du denn nicht mitgemacht?“ Die spöttische Antwort: „Das war doch eine Pseudoaktion. Gestern habt ihr euch dort noch Burger gekauft.“

Solche Widersprüche wurden aber nur am Rande diskutiert, als sich der grüne Nachwuchs zu seinem ersten Bundeskongress nach dem Ausscheiden der Mutterpartei aus der Bundesregierung traf. Im Mittelpunkt der Debatten stand die Zukunft des Sozialstaats. Das Motto der Veranstaltung hieß: „Wo bleibt die Gerechtigkeit?“ Die 14- bis 28-jährigen Junggrünen wollten damit kritische Anstöße für den Zukunftskongress der grünen Partei im September geben.

„Die sozialen Probleme haben in unserer Gesellschaft zugenommen. Der deutsche Sozialstaat steckt in der Krise“, sagte Stephan Schilling, Sprecher der Grünen Jugend, zur taz. Immer mehr Gruppen wie Migranten oder Langzeitarbeitslose würden von gesellschaftlicher Teilhabe, Einkommen und Bildung ausgeschlossen, so der 23-Jährige.

Die Grüne Jugend plädierte langfristig für den Umbau des Sozialstaats nach skandinavischem Vorbild. Öffentliche Institutionen wie Schulen und Kindergärten sollen gestärkt und Transferleistungen wie Kindergeld oder Ehegattensplitting zu Gunsten der Kinderbetreuung eingeschränkt werden. „Soziale Leistungen müssen stärker durch Steuern finanziert werden“, sagte Schilling. Langfristig bedeute dies eine höhere Einkommen- und Mehrwertsteuer sowie niedrigere Sozialabgaben. Umstritten war das bedingungslose Grundeinkommen für alle Bürger – die Befürworter konnten sich aber knapp durchsetzen. Eine Zahl wurde nicht festgelegt, im Gespräch war ein Grundeinkommen von etwa 800 Euro.

„Zum Teil ist die Sozialpolitik während der Regierungsbeteiligung der Grünen zu kurz gekommen“, kritisierte Schilling. Wichtig sei deshalb eine Rückbesinnung auf das Soziale. „Die Grünen als eine reine Ökopartei – das wäre zu wenig“, ergänzte GJ-Geschäftsführer Malte Spitz. Diese Ansicht teilte Reinhard Bütikofer. Auch der Bundesvorsitzende der Grünen erklärte auf dem Kongress, das soziale Profil der Partei müsse geschärft werden. Er lobte die „interessanten“ Vorschläge des Nachwuchses und versicherte: „Ich sehe keine fundamentale Differenz zwischen uns.“ Er warnte jedoch: Die Grünen dürften nicht das Image einer Steuererhöhungspartei bekommen. Es sei falsch, von vornherein höhere Belastungen der Verbraucher zu fordern.

Für seine Ausführungen erntete Bütikofer nicht nur Applaus. Mitten in seinem Vortrag stürmten Jugendliche das Podium und entrollten ein Transparent mit der Aufschrift „back to the roots“. Der Anführer entriss Bütikofer das Mikro und gab die Gründung einer offenen radikalen Plattform für „Feministinnen, Marxisten und Frutarier“ bekannt. Die Grüne Jugend habe ihre Stacheln verloren. Viele Themen kämen in der Partei zu kurz, darunter auch die direkte Demokratie.

Bütikofer ließ sich davon nicht beirren. Im Gegenteil. Je länger er redete, desto deutlicher wurde seine Skepsis gegenüber den Vorschlägen der Jugend. Von dem geforderten Grundeinkommen etwa hält er nichts. Dies sei eine „Eierlegende Wollmilchsau“ und nicht bezahlbar. Am Ende gab Bütikofer dem Nachwuchs auf den Weg, sie sie sollten bitte realistische Vorschläge machen: „Ich halte nichts von einer radikalen Politik, die keinen Weg beschreibt, wie man von hier nach dort schreiten kann.“