Russlands Rückkehr nach Zentralasien

International geschasst, sucht Usbekistan Unterstützung in Russland. Putin freut’s. So kann er seine Hegemonialansprüche in der Region stärken

MOSKAU taz ■ Der Diktator aus Usbekistan wirkte verschreckt und scheu. Islam Karimow wagte es kaum, in die Kamera zu schauen. Wladimir Putin hatte den Schlächter von Andischan am Vorabend des Jahrestags in die Residenz nach Sotschi geladen. Dem Kremlchef gefiel die hündische Haltung des usbekischen Präsidenten, der sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von allen Herrschern Mittelasiens am entschiedensten russischen Hegemonialansprüchen in der Region widersetzt hatte. Nun saß der international geschasste Karimow bei Putin und buhlte um Unterstützung des ungeliebten Nachbarn, sollten die Usebeken doch noch auf die Idee kommen, sich seiner zu entledigen. Dafür ist der Kreml immer eine gute Anlaufadresse. Der Usbeke will sich dafür auch erkenntlich zeigen und versprach den Russen die Filetstücke der staatlichen Energiewirtschaft.

Darauf hat es die sich aufplusternde Ressourcengroßmacht seit Jahren abgesehen. Kontrolle über die zentralasiatischen Energiewirtschaften würde Russland nicht nur in der Region eine Monopolstellung sichern. Die Freude konnte Kremlchef Putin kaum verhehlen und sicherte dem strauchelnden Diktator zu, für Ordnung zu sorgen – „in unserem Haus“ betonte Putin.

Der russisch-usbekischen Annäherung ging die Abkühlung der Beziehungen zu den USA voran. Nach dem 11. September hieß Usbekistan die USA willkommen und stellte in Chanabad einen Militärstützpunkt für den Afghanistanfeldzug zur Verfügung. Russlands Sicherheitselite fühlte sich brüskiert, obwohl Moskau die ehemaligen Republiken in die Souveränität entlassen und das Militär aus Zentralasien – Tadschikistan ausgenommen – abgezogen hatte. Am imperialen Anspruch hielt Moskau unterdessen fest.

Kritik an Menschenrechtsverletzungen und die Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des Massakers von Andischan forcierten den Bruch Taschkents mit Washington. Im Juli 2005 verlangte Usbekistan auf dem Gipfel der Schanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), der neben Russland und China, auch Kasachstan, Kirgisien, Usbekistan und Tadschikistan angehören, den Abzug der US-Truppen. Russland und China unterstützten den Vorstoß massiv. Beiden Ländern ist US-Präsenz in unmittelbarer Nachbarschaft ein Dorn im Auge. Im letzten November unterzeichneten Russland und Usbekistan, eine Woche bevor der letzte US-Militärtransport Usbekistan verlassen sollte, einen gegenseitigen Beistands- und Sicherheitspakt.

Der Errichtung eines russischen Stützpunkts steht nun nichts mehr im Wege. Voraussichtlich wird sich Usbekistan auch der Vertragsorganisation für kollektive Sicherheit (ODKB) anschließen, der bislang außer Russland, Weißrussland und Armenien auch die Zentralasiaten – Kasachstan, Kirgisien und Tadschikistan angehören. Lange Zeit spielte die 1992 gegründete militärische Organisation der GUS nur eine periphere Rolle. Inzwischen sähe es Moskau gern, wenn die Nato mit der ODKB ein übergreifendes Abkommen schlösse. Damit hofft Moskau, sich die Vorherrschaft über Zentralasien indirekt anerkennen zu lassen, vermuten Beobachter. Auf eine so enge Bindung mit Russland wie Usbekistan ließen sich indes nicht einmal Moskaus traditionelle Verbündete Kasachstan, Tadschikistan und Kirgisien ein.

Allerdings stellte auch der kirgisische Präsident Kurmanbek Bakiew, just bevor er im April zum ersten Staatsbesuch nach Moskau aufbrach, den USA ein Ultimatum für den Abzug. Washington unterhält im kirgisischen Ganci einen Flughafen mit Militärbasis. Was den durch die Tulpenrevolution vor einem Jahr ins Amt gelangten Präsidenten bewogen haben mag, ist bislang unklar. Bakiew ruderte jedoch zurück, nachdem die Opposition Kritik übte. Inzwischen verlangt Bischkek nur noch höhere Gebühren von den Amerikanern. Eigentlich müsste das kleine Kirgisien, auf das Russen wie Chinesen ein Auge werfen, über die US-Anwesenheit glücklich sein. Zudem unterhalten die Russen seit 2003 bereits einen Militärstützpunkt in Kant und planen die Präsenz noch zu verstärken.

Russlands Rollback erreichte 2004 einen ersten Etappensieg. Mit dem Eintritt in die Organisation für Zentralasiatische Kooperation (OZK) verwässerte Moskau das Konzept des Bündnisses, das sich regionale Integration zum Ziel gesetzt hatte. Die Fusion der OZK Ende 2005 mit der Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft, der Russland und Weißrussland angehören, dürfte einer selbstbewussten Entwicklungspolitik Zentralasiens erst einmal einen Riegel vorschieben. KLAUS-HELGE DONATH