„Sprache ist die Basis“

Die Pädagogin Lisa Britz fordert mehr Hinwendung zur Muttersprache von Migrantenkindern. Ihr Konzept: Deutsch als Zweitsprache

taz: Frau Britz, wie kann man Kinder mit Migrationshintergrund in das deutsche Bildungssystem integrieren?

Lisa Britz: Wir müssen die „Pisa-Gewinner“ zum Vorbild nehmen, auf Inklusion und Förderung abzielen und den Zusammenhang von Kompetenzerwerb und sozialer Herkunft verringern.

Das klingt sehr abstrakt.

Das dreigliedrige Schulsystem mit seiner hohen Selektion ist in einer Einwanderungsgesellschaft wie der unsrigen komplett dysfunktional. Wir brauchen Ganztagsschulen, um soziale Unterschiede auszugleichen. Und: Simple Deutschförderung bringt nichts. Wir müssen die Kinder bei ihren muttersprachlichen Kompetenzen abholen.

Was heißt das?

Ziel muss eine balancierte Zweisprachigkeit sein. Das Deutsch vieler Migrantenkinder reicht oft nicht für die Schule. Sie werden in ihrer eigentlichen Sprachkompetenz nicht alphabetisiert. Das hat mit dem Prestige der Sprachen zu tun: Französisch hat ein höheres Prestige als Türkisch.

Unterricht auf Türkisch und Deutsch?

Bilingualer Unterricht funktioniert nur dort, wo es eine vorherrschende Sprache neben Deutsch gibt. Bei vielen unterschiedlichen Sprachen ist das schwieriger.

Was soll man in so einem Fall tun?

Die Konzepte dafür heißen: Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Zweitsprache. Konzepte zur Mehrsprachigkeit mit sprachvergleichenden Übungen und ein stärker an den Herkunftssprachen orientierter Unterricht statt des klassischen Deutschunterrichts.

Wie unterscheiden sich Migrantenkinder und Ausländerkinder?

Die Pisa-Studie hat nicht nach dem juristischen Ausländerstatus gefragt, sondern nach der Sprache, die zu Hause gesprochen wird. Zahlenmäßig ist das ein erheblicher Unterschied. Kinder, deren Muttersprache nicht Deutsch ist oder die erst nach ihrer Geburt nach Deutschland gekommen sind, schneiden schlechter ab als die, bei denen wenigstens ein Elternteil hier geboren ist oder Deutsch als Muttersprache hat.

Der Weg führt also immer über Sprachkurse?

Sprache ist die Basis. Aber wir müssen auch institutionelle Barrieren abbauen. Einige Sprachtests vernachlässigen die Fähigkeiten in der Erstsprache. Viele Ausländerkinder müssen auf die Sonderschule, weil sie laut Test sprachbehindert sind. Erforderlich sind andere Bewertungssysteme, in denen man mit Noten nicht selektiert, sondern die den individuellen Lernfortschritt bewerten. Die diagnostischen Kompetenzen unserer LehrerInnen müssten hierzu gefördert werden.

INTERVIEW: DOMINIK SCHOTTNER