Damit es sich lohnt, auf der Insel zu bleiben

Seit 2004 existiert auf Rügen das Lokale Bündnis für die Familie. Mit seiner Hilfe dreht sich dort nicht mehr nur alles ums Wohl der Touristen. Projekte wie eine flexiblere Kinderbetreuung sollen die Bedürfnisse der Bewohner befriedigen

BERGEN taz ■ Manchmal fährt Christine Wenmakers die weiten Wiesen Rügens entlang bis zu den Kreidefelsen. Donnernd schlagen die Wellen auf den Strand. Wenn Wenmakers Blick über das glitzernde Meer schweift, weiß sie: Es war richtig, vor neun Jahren aus Wuppertal hierher gekommen zu sein. Schade nur, dass sich auf Rügen alles um den Tourismus dreht. Warum wird hier so wenig für die Einheimischen getan, für die Familien und Kinder?

Christine Wenmakers ist Gründungsmitglied des Vereins „Rügen tut gut“. Nach einer Umfrage in den Kindergärten haben die Vereinsmitarbeiter in drei Kitas eine Randzeitbetreuung von 17 bis 20 Uhr auf die Beine gestellt, für zwei Euro die Stunde. Eine gewaltige Erleichterung für die vielen Eltern, die in Gastronomie und Tourismus auf der Insel arbeiten. Wenmakers: „Wir wollen die Insel familienfreundlicher machen und unseren Kindern zeigen: Das Leben ist schön hier. Es lohnt sich, zu bleiben.“

Zufällig kam Wenmakers im Mai 2004 am lokalen Familienbündnistag in Dortmund vorbei. Zurück auf der Insel, sagte sie zu ihren Mitstreiterinnen: „Mädels, das müssen wir auch machen. Das ist ein ungeheurer Ideenschatz.“ Unter dem Deckmäntelchen des Bündnisses kann man bei hunderten Initiativen und Kontaktstellen anrufen, bekommt Rat und Hilfe beim Beantragen von Fördermitteln.

Einfach war es nicht, das Bündnis zu schmieden. Als Wenmakers die Landrätin und IHK-Vertreter, den Bundesverband der Mittelständler, den Seniorenbeirat und den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (DeHoGa) zusammenrief, sagte Wilfried Rothkirch von der DeHoGa Rügen: „Ich weiß eigentlich gar nicht, was ich hier soll.“ Bis im Gespräch mit dem Seniorenvertreter die Idee kam: Wieso holen wir nicht Renter in die Hotels, die an Regentagen den Kindern der Gäste etwas vorlesen?

Inzwischen hat das lokale Bündnis 20 Partner, alle acht Wochen setzen sich die Vertreter zusammen und überlegen: Wo wollen wir was bewegen? Nur weil Arbeiterwohlfahrt, Volkssolidarität und Internationaler Bund kindgerechte Räume zur Verfügung stellten, hatte das Vereinsprojekt flexible Randbetreuung eine Chance. „Die lokalen Bündnisse haben weder eine Rechtsform noch eigene Mittel“, sagt Wenmakers. „Aber sie schaffen eine Informationsplattform und Kooperationen, über die sich viel bewegen lässt.“

Zum Beispiel die Wirtschaft ins Boot holen – durch den Unternehmertag des Bündnisses im März, auf dem sich Familien und Unternehmen austauschten. „Wir haben uns zum ersten Mal als Arbeitgeber der Insel gefühlt, nicht als einzelne Unternehmen“, sagte ein Firmenchef am Ende der Veranstaltung.

Sind das nicht Lippenbekenntnisse? Wenmakers lächelt. „Überhaupt nicht. Wenn wir etwas bewegen wollen, müssen wir langsam das Bewusstsein ändern. Und die Unternehmen mit Kleinigkeiten ins Boot holen, ohne dass es sie viel kostet.“ Der Weg zur rundherum familienfreundlichen Insel ist noch weit. Doch ein kinderfreundliches Klima, das ist für Wenmakers schon sehr viel wert. ANJA DILK