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: Die Elf der Nichtnominierten

Andere Nationaltrainer müssen wahre Fußballkönner aus ihrem WM-Aufgebot streichen. Jürgen Klinsmann hat dieses Problem nicht

Er hat sich also schwer getan mit seiner Entscheidung. Gerade die Absagen sind Jürgen Kinsmann alles andere als leicht gefallen. Fabian Ernst, Kevin Kuranyi und Patrick Owomoyela, die in den letzten Monaten beinahe immer dabei waren, wenn der Bundestrainer die Nationalmannschaft um sich versammelt hat, sind draußen. Das mag manchen verwundern, schockieren wird es die wenigsten. Eine große Fan-Initiative, wie es sie in Mexiko gegeben hat, weil Nationaltrainer Antonio La Volpe den nationalen Helden der letzten WM, Cuauhtemoc Blanco, einfach nicht nominieren wollte, wird in Deutschland nicht gestartet werden.

So richtig schade wird es niemand finden, wenn ein Kevin Kuranyi nicht derart vor den Toren der WM-Gegner herumstümpern wird, wie er es zuletzt in der Bundesliga getan hat. Auch die pomadigen Auftritte eines Fabian Ernst wird wohl niemand vermissen ab dem 9. Juni. Und Patrick Owomoyela, der fast immer mehr Fehler als gelungene Aktionen produziert, hätte der Nationalmannschaft auch nicht unbedingt weitergeholfen. Selbst wenn sich die Deutschen bei der WM blamieren sollten, werden die wenigsten den Grund dafür in der Nichtberücksichtigung von Kuranyi, Ernst und Owomoyela sehen. Besonders mutig war sie also nicht, die Entscheidung Jürgen Klinsmanns.

Des Bundestrainers Kollegen in anderen Ländern haben es da schon schwerer. Allen voran der Coach der französischen Nationalmannschaft, Raymond Domenech. Der hat sich dafür entschieden, ohne den in Barcelona nicht selten groß aufspielenden Mittelfeldmotor Ludovic Giuly zur WM zu fahren. Auch der gerade in Länderspielen oft überzeugende Stürmer Nicolas Anelka (Fenerbahce Istanbul) gehört nicht zum gallischen WM-Kader. Sollten die Franzosen wie 2002 in der Vorrunde scheitern, Domenech müsste sich sicher auch wegen seiner Nominierungspolitik rechtfertigen.

Ähnlich harte Entscheidungen hat auch Marco van Basten getroffen. Der Coach der niederländischen Nationalmannschaft hat Edgar Davids (Tottenham Hotspurs), Clarence Seedorf (AC Mailand) und Nigel de Jong (Hamburger SV) nicht nominiert – ebenso wenig wie den mit 33 Toren in 34 Spielen überragenden Torschützen der niederländischen Ehrendivision, Klaas-Jan Huntelaar (Ajax Amsterdam). Nur der Erfolg seiner Mannschaft kann solche Entscheidungen rechtfertigen.

Jürgen Klinsmann wäre sicher froh, wenn er Spieler mit der Qualität der in Frankreich und den Niederlanden als überflüssig angesehenen Stars zur Verfügung hätte. Auch ein Mehmet Scholl, den sein Trainer Felix Magath für den besten Einwechselspieler der Bundesliga hält und für den sich der Bundestrainer partout nicht begeistern wollte, hat keinen Platz in der taz-Elf der nichtnominierten Stars: Fernando Morientes vom FC Liverpool und Nicolas Anelka im Angriff. Ludovic Giuly, Clarence Seedorf, Robert Pires (Arsenal London) und Johan Micoud (Bremen) im Mittelfeld. Nigel de Jong, Jaap Stam (AC Mailand), Ledley King (Tottenham) und Edgar Davids in der Verteidigung. Einzig im Tor könnte man sich mit dem Hannoveraner Robert Enke, einen Deutschen in der Elf der Verschmähten, vorstellen.

Mindestens ein weiteres virtuelles Starensemble käme zustande, trüge man all die Namen der brasilianischen Spitzenspieler zusammen, die zwar besser als die meisten Fußballer der Welt, aber für ihre Nationalmannschaft nicht gut genug sind.

Kuranyi, Ernst und Owomoyela dürfen also nicht mitmachen bei der Weltmeisterschaft. Man wird andere vermissen.

ANDREAS RÜTTENAUER