„Friedliches Brandenburg“

Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm sieht rechte Extremisten auf dem Rückzug, obwohl der neueste Verfassungsschutzbericht das Gegenteil präsentiert: mehr Neonazis im Nachbarland Berlins

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Geht es nach Innenminister Jörg Schönbohm (CDU), ist Brandenburg in Sachen politischer Extremismus ein Musterknabe. „Die Brandenburgerinnen und Brandenburger sind verfassungstreu und friedlich“, lautete am Montag Schönbohms Fazit zum vorgestellten Verfassungsschutzbericht.

Schon angesichts der jüngsten Attacken Rechtsradikaler auf Ausländer in Brandenburg ist Schönbohms Aussage ein Euphemismus. Nicht weniger schlimm ist, dass der Innenminister im Verfassungsschutzbericht ein paar seiner Landsleute einfach übersehen haben muss. Denn die Zahl der Rechtsextremisten und Neonazis in Brandenburg ist auch im Jahr 2005 weiter gestiegen.

Laut dem gestern in Potsdam präsentierten Bericht zählte der Verfassungsschutz im Land 1.385 Rechtsextremisten. Im Jahr 2004 lag die Zahl der in rechtsextremen Gruppierungen organisierten Personen bei 1.290. Dabei sei eine wachsende Kooperation zwischen NPD, DVU und Neonazis zu beobachten, so die Expertise weiter.

Zugleich sank die Zahl der Aktivisten im linksextremen Spektrum von 710 im Jahr 2004 auf 695 im vergangenen Jahr. Der Islamismus habe laut Verfassungsschutzbericht „kein bedeutendes Potenzial“ im Nachbarland von Berlin.

Zulauf an Radikalen hatten 2005 laut Bericht vor allem die in Brandenburg engagierten rechten Parteien. Dazu kämen etwa 570 gewaltbereite und nicht organisierte Rechte. Die Neonazi-Szene sei 2005 hauptsächlich im Südosten Brandenburgs aktiv gewesen. Teile von ihr hätten sich der NPD angeschlossen, während sich gleichzeitig die DVU den Neonazis annäherte. Gleichzeitig seien im Land 13 Skinhead-Bands bekannt gewesen.

Zurückgegangen sind nach offiziellen Zahlen rechte Gewalttaten – von 105 im Jahr 2004 auf 97 im vergangenen Jahr. Der Anteil Jugendlicher in rechten Cliquen stagniere. Die Verbote der rechtsextremistischen Kameradschaften „Hauptvolk/Sturm 27“ und „Ansdopo“ hätten 2005 die Szene verunsichert. Für Schönbohm ist – man mag es kaum glauben – rechts in Brandenburg „nicht mehr angesagt“. Der Innenminister: „Wir gehen davon aus, dass der Rechtsextremismus seine Rekrutierungsbasis allmählich verliert. Die Luft wird dünner.“

Es sei ermutigend, wie sich inzwischen die Bevölkerung engagiere. So würden immer mehr Propagandadelikte angezeigt, wie beispielsweise rechtsextreme Plakate an Bushaltestellen oder Schmierereien. „Das sind kleine Schritte, aber es zeigt eine Veränderung des Klimas.“

„Die Mitarbeit der Bürger ist das Entscheidende“, sagte auch die Leiterin der Verfassungsschutzabteilung, Winfriede Schreiber. Bei den extremistischen Gewalttaten habe sie eine Verschiebung festgestellt. Sie kämen eher zwischen Rechts- und Linksextremen vor und hätten seltener einen fremdenfeindlichen Hintergrund. Schönbohm wie Schreiber wiesen die Behauptung zurück, es gebe in Brandenburg für Ausländer so genannte No-go-Areas. Diese Vorstellung sei „absurd“, meinte Schreiber.