Berlin macht Platz fürs Design

Auf dem diesjährigen „Designmai“ stellen rund 400 DesignerInnen an verschiedenen Orten ihre Produkte vor. Von der Branche erhofft sich Berlin einen Schub für die Wirtschaft und einen Imagegewinn. Dabei ist Berliner Design vor allem eines: politisch

von WALTRAUD SCHWAB

Am Monat Mai liegt es, dass Berlin endlich auch international zu einem Platz in der Designszene gekommen ist. Im Mai vor vier Jahren nämlich startete das erste Berliner Designfestival, bei dem sich die EntwerferInnen überall in der Stadt mit ihren Produkten, aber auch ihren Ideen und Konzepten präsentierten.

Mit jedem Jahr bekam das Event größere Aufmerksamkeit. Von Goodwill-Bekundungen über die Grußbotschaft bis zum persönlichen Erscheinen der Repräsentanten der Stadt arbeiteten sich die VeranstalterInnen des Ereignisses in der kurzen Zeit hoch. Dieses Jahr warb der Regierende Bürgermeister denn auch zum ersten Mal persönlich auf der Pressekonferenz für das Festival. Das angemessene Vokabular ging Klaus Wowereit leicht über die Lippen. Er erwähnte das „Zukunfts- und Wachstumspotenzial“ des Designsektors. Im Rekurs auf die Geschichte stellte er richtig fest: „Das deutsche Design ist im internationalen Maßstab unterbewertet.“

Seine Hintergrundkenntnis wiederum gilt ebenfalls als verbrieft: Kreative kämen gern in die Stadt, weil Berlin so unfertig sei und weil man hier gute Möglichkeiten habe, mit wenig Geld zu überleben. Natürlich freute sich Wowereit außerdem, erwähnen zu dürfen, dass die Unesco Berlin im vergangenen Jahr zur Stadt des Designs erklärt hatte. Zudem – und das ist wichtig – benutzte er Begriffe wie „creative industries“ und „creative Berlin“.

Letzteres ist abgekupfert: Mit „creative Britain“ nämlich wurde das kleine Wirtschaftswunder in Großbritannien Mitte der 90er-Jahre bezeichnet. Nach dem neoliberalen Umbau der dortigen Gesellschaft durch die konservative Regierung unter Margaret Thatcher, die eine Verarmung großer Bevölkerungsschichten nach sich zog, trugen die „creative industries“ stark dazu bei, das Blatt zu wenden. Das Wunder soll in Berlin nun ebenfalls wahr gemacht werden. Die Chancen stehen gar nicht so schlecht.

Allerdings ist das Berliner Design eines, das sich nicht in der Entwicklung von schönen, edlen und teuren Dingen erschöpft. Im Gegenteil: In der Hauptstadt lassen sich die DesignerInnen von der Gegenwart herausfordern. Die politische Dimension, Umwelt, Armut, sparsame Verwendung von Ressourcen, spielt eine große Rolle. Hier geht es nicht darum, die Wirklichkeit zu beschönigen. Deshalb auch ist der Mai der richtige Monat für die DesignerInnen, sich zu präsentieren. Mai, das bedeutet Frühling, Neuanfang, alles ist jung, unfertig und wild.

Bei der diesjährigen Ausstellung in den Hallen am Gleisdreieck – dem größten Präsentationsort von vielen anderen – wurde das Unesco-Label „Stadt des Design“ zum Festivalmotto „Designcity“ umdefiniert. Der Frage, wie DesignerInnen in den Stadtraum eingreifen, soll nachgegangen werden. Eine riesige Wunderkammer des kreativen Denkens ist dabei entstanden.

Viele EntwerferInnen lassen sich von den wohnungslosen Stadtnomaden beeinflussen. Sie zeigen Iglus aus Evian-Wasser-Kisten, faltbare und transportable Büros und Instant-Architektur aus Wegwerfmaterialien. Einer der Pioniere dieser Produkte ist der Designer Winfried Baumann. Seit Jahren entwickelt er seine Miniaturbehausungen fürs Freie in Zusammenarbeit mit den Sozialeinrichtungen für Obdachlose.

Für Gärten und öffentliche Plätze interessieren sich andere DesignerInnen. Die BerlinBank von Thomas Schneider ist vom Mauerstreifen beeinflusst. Alles ist eine Frage der Perspektive – von seiner Bank aus jedenfalls kann in beide Richtungen geguckt werden. Mobile Zäune, neue Möbel aus ausgemusterten Serienprodukten, Klamotten, die gleichzeitig Möbel sind – all so was entsteht in Berlin.

Zugegeben, das sind keine Produkte, mit denen ein Wirtschaftswunder zu machen ist. Da hat der „Berlinizer“ schon mehr zu bieten. Das ist jenes Gefährt, das als Velotaxi bekannt ist. Tausend Stück wurden bisher etwa verkauft, auch ins Ausland. Im August bringt die Berliner Firma Veloform ein verbessertes Modell auf den Markt. Das wurde nötig, weil das alte in China schon kopiert wird. Weitere Erfolgsgeschichten gilt es auf dem Festival zu entdecken.

Designmai, heute bis 21. Mai an vielen Orten der Stadt. Info: www.design.de