Schäuble: No-go-Areas gibt es nicht

… weil es sie nicht geben darf. Verfassungsschutzbericht ergibt: Rechte Gewalt nahm 2005 zu, linke auch

BERLIN taz ■ Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat gestern bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2005 die Existenz von „No-go-Areas“ in Deutschland bestritten. Es gebe zwar regionale Konzentrationen von Rechtsextremismus, sagte Schäuble. Das staatliche Gewaltmonopol gelte aber überall. „No-go-Areas darf es nicht geben“, so der Innenminister weiter. Der Begriff „No-go-Areas“ bezeichnet Stadtviertel, in denen die öffentliche Ordnung nicht mehr garantiert werden kann, oder „national befreite Zonen“ mit vielen Rechtsradikalen.

„Besorgnis erregend“ nannte Schäuble die Zunahme der rechtsextremen Straf- und Gewalttaten im vergangenen Jahr. Laut Verfassungsschutzbericht sind die Straftaten im vergangenen Jahr um 27,5 Prozent auf 15.360 angestiegen. Die Mehrzahl davon waren Propagandadelikte oder Fälle von Volksverhetzung.

Auch die rechtsextremistischen Gewalttaten stiegen 2005 um 23,5 Prozent auf 958. Dabei wurden die meisten Gewaltdelikte je Einwohner in Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Sachsen verübt, gefolgt von Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Zudem erhöhte sich die Zahl der Neonazis um rund 300 auf 4.100. Auch die Zahl gewaltbereiter Rechtsextremisten stieg leicht von 10.000 im Jahr 2004 auf 10.400 im vergangenen Jahr an.

„Eine Ursache für den Anstieg der Gewalttaten könnte die größere Zahl von Demonstrationen rechter Gruppen sein, bei denen es häufig zu Auseinandersetzungen mit gewaltbereiten Linksextremen kommt“, sagte Schäuble. So hätten auch Straf- und Gewalttaten Linksextremer deutlich zugenommen: Die Zahl der linksextremistischen Straftaten stieg um 60,1 Prozent auf 2.305, die der Gewalttaten um 72 Prozent auf 896.

Die Reisewarnung von Exregierungssprecher Uwe-Karsten Heye (SPD) an ausländische WM-Gäste, bestimmte Gegenden in Brandenburg zu meiden, kritisierte Schäuble als „verkürzt“. Er lehnte es zudem ausdrücklich ab, einzelne ostdeutsche Bundesländer anzugreifen. „Wir brauchen keine neue Ost-West-Debatte, sondern mehr Solidarität und Engagement zwischen den Ländern“, sagte Schäuble. Vorwürfe einiger Politiker, die Polizei gehe nicht mit aller Entschiedenheit gegen Ausländerfeindlichkeit vor, bezeichnete der Innenminister zudem als „unbegründet“.

Fremdenfeindlichkeit und jede Form von Extremismus würden „auf das Entschiedenste“ bekämpft, kündigte Schäuble an. Ab 2007 gebe es ein neues Bundesprogramm mit dem Namen „Jugend für Vielfalt, Toleranz und Demokratie“, das die Aufgaben des in diesem Jahr auslaufenden Bundesprogramms „mit der gleichen Ausstattung“ fortführen solle. Es gehe in dem neuen Programm nicht nur um die Bekämpfung des Rechtsextremismus, sondern um alle Formen des Extremismus und um Gewaltprävention, etwa an Schulen, betonte Schäuble. Von einer Kürzung der Mittel gegen Rechtsextremismus könne dabei keine Rede sein, so der Minister. Anlaufstellen gegen Rechtsextremismus hatten zuvor kritisiert, durch die neuen Schwerpunkte des Programms gebe es weniger Geld für Projekte gegen rechts.

Zielgruppe der rechten Szene und Parteien seien vor allem junge Männer zwischen 18 und 24 Jahren. Schäuble sprach sich deswegen für mehr attraktive und alternative Angebote für diese Männer aus, damit sie nicht zu Opfern rechter Rattenfänger würden. „Wir müssen aktiv für unsere Demokratie werben“, so der Innenminister.

Er warnte zugleich vor einer unverminderten Bedrohung Deutschlands durch islamische Extremisten und Terroristen: „Für Entwarnung gibt es keinen Anlass“. GESA SCHÖLGENS