„Neonazis sind frecher geworden“

Rechte Gesinnung ist nicht mit der Polizei, sondern nur mit mehr Aufklärung zu verhindern, sagt der PDS-Politiker Sayan. Er war bei einem Übergriff verletzt worden

taz: Herr Sayan, wie geht es Ihnen?

Giyasettin Sayan: Besser. Aber es wird noch etwas dauern, bis ich wieder ganz gesund bin.

Haben Sie Erinnerungen an den Tatvorgang, an die Täter?

An einen auf jeden Fall. Aber er war nicht unter denen, deren Fotos mir die Polizei gezeigt hat.

Sie arbeiten seit Jahren in Lichtenberg. Nehmen Neonazi-Aktivitäten in jüngster Zeit dort wieder zu?

Erst kürzlich sind erneut Bilder einer Ausstellung gegen Rassismus von Neonazis zerstört worden. Sie sind frecher geworden in der letzten Zeit.

Wie erklären Sie sich das?

Das hat mit der Debatte um Integration zu tun. In der Öffentlichkeit kommt vor allem an, dass Migranten gewalttätiger sind, schlechtere Schulleistungen erbringen, anderen die Arbeitsplätze wegnehmen. Und Äußerungen wie die von Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bestärken Menschen, die fremdenfeindlich eingestellt sind.

Jetzt wird die Polizei kritisiert. Tut sie wirklich genug gegen Rechte?

Die Polizei macht gute Arbeit. Hier im Bezirk arbeiten wir viel zusammen. Aber man kann eine breite rechte Gesinnung nicht mit polizeilichen Maßnahmen verhindern.

Wie denn?

Man muss in den Schulen anfangen. Dort gibt es viele Kinder und Jugendliche, die leichte Beute für rechte Demagogen sind.

Was macht denn diese Kinder zu einer leichten Beute?

Die Diskussion, in der Ausländer hauptsächlich als Problem betrachtet werden. Das führt bei den 13-, 14-Jährigen mit zu negativen Einstellungen. Rassismus ist ja nicht angeboren.

Haben Jugendliche in Lichtenberg nicht die gleichen Probleme wie junge Migranten?

Ja. Perspektivlosigkeit und Arbeitslosigkeit sind hier genauso hoch wie bei den Migranten.

Warum gibt es keine Solidarisierung?

Durch die Spaltung wird von den eigenen Problemen, aber auch von der Unfähigkeit der Politiker abgelenkt. Die wahren Schuldigen werden so verdeckt.

Was kann man denn tun?

Aufklärungsarbeit! Man muss erzählen, dass Berlin ohne Ausländer keine Kulturmetropole mehr wäre: Es gäbe kein Theater, keine Oper, kein Ballett, dort arbeiten viele Ausländer. Oder dass allein die aus der Türkei stammenden Gewerbetreibenden hier fast 20.000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Interview: Alke Wierth