Islamkunde noch lange kein Pflichtfach

Innenminister Schäuble will mit muslimischen Organisationen einen flächendeckenden Islamunterricht entwickeln. In Bayern soll eine Grundschule als Vorbild dienen. Doch noch ist das Projekt nicht auf andere Schulen übertragbar

BERLIN taz ■ Islamunterricht statt katholischer Religion: An einer Grundschule im fränkischen Erlangen ist das seit drei Jahren Wirklichkeit. Dort unterrichtet Ali Türkmenoglu. Die Stunde beginnt er oft mit einem Gebet auf Deutsch und Arabisch. „So lernen die Kinder gleichzeitig ein bisschen Arabisch“, sagt Türkmenoglu. Grundsätzlich wird im Unterricht Deutsch gesprochen. Ab und an besucht die Klasse auch verschiedene Gotteshäuser. „Die Kinder sind inzwischen besser integriert, offener und toleranter in Bezug auf andere Religionen“, sagt der 36-Jährige.

Bayerns Landesregierung ist mit dem Projekt so zufrieden, dass sie es auf andere Städte ausweiten will. „Im Moment ist das aber noch nicht möglich“, sagt Berta Nonhoff, Leiterin des Staatlichen Schulamts Erlangen. Denn nur in Erlangen hätten sich die örtlichen Islamgemeinschaften bislang auf gemeinsame Regeln für den Unterricht einigen können. Türkmenoglu ist zuversichtlich, dass der Lehrplan auch anderswo übernommen wird.

Einen flächendeckenden islamischen Religionsunterricht gibt es in Deutschland noch nicht. Die muslimischen Kinder werden meist nachmittags in Koranschulen unterrichtet. Der Grund: Staat und Kirchen sind per Gesetz verpflichtet, den Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften zu erteilen. Die Bundesländer klagen seit langem über fehlende Repräsentanten für die Vielzahl islamischer Gruppen.

Nach Ansicht von Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) könnte die im Herbst beginnende „Deutsche Islamkonferenz“ alle Interessengruppen vereinen. Dort möchte Schäuble seine Pläne für einen flächendeckenden Islamunterricht mit den muslimischen Organisationen erörtern. Geplant ist ein Unterricht unter staatlicher Aufsicht, erteilt durch hier ausgebildete Religionslehrer in deutscher Sprache. Auch Imame, religiöse Lehrer der Muslime, sollen Deutsch lernen.

Die Kultusministerkonferenz (KMK) begrüßt zwar den Vorstoß, beharrt aber auch auf ihrer Zuständigkeit. „Ich lade Herrn Schäuble zu uns ein, um die Frage zu besprechen. Das ist ureigene Sache der Länder“, sagte Jürgen Schreier (CDU), KMK-Vizepräsident und saarländischer Bildungsminister, der taz. Bislang seien die Voraussetzungen für einen regulären Islamunterricht nicht erfüllt. „Ein ordentliches Unterrichtsfach bedarf anderer Legitimation als Modellversuche“, sagt Schreier. Dazu zählten ein geeigneter Lehrplan und akademisch ausgebildete Lehrer. Dafür müsse jedes Land selbst sorgen.

Der Föderalismus führt zu einer Vielzahl von Regelungen. In Nordrhein-Westfalen wird an manchen Schulen Islamkunde angeboten, dabei werden Schüler neutral über Geschichte und Inhalte des Islam informiert. In Berlin ist die Teilnahme am Religionsunterricht freiwillig. „Eine flächendeckende Einführung wird kompliziert“, sagt Berlins Staatssekretär für Bildung, Thomas Härtel (SPD).

Der Islamrat und der Zentralrat der Muslime begrüßen Schäubles Vorstoß trotzdem. „Der islamische Religionsunterricht ist längst überfällig“, sagt Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats. Muslimische Kinder hätten laut Grundgesetz ein Anrecht darauf. Der Einwand, es gebe auf islamischer Seite keine Ansprechpartner, treffe nicht zu. Die beiden Dachverbände hätten längst eine gemeinsame Kommission für den Religionsunterricht gebildet. „Eine einheitliche Organisation ist nicht die Grundvoraussetzung. Auch die Christen sprechen nicht mit einer Stimme“, sagt Aiman Mazyek, Generalsekretär des Zentralrats der Muslime. Muslime und Politiker sollten sich endlich an einen Tisch setzen, um eine Perspektive für den Unterricht zu entwickeln. GSC