Nur 23 Prozent der Studierten kinderlos

Wer mit „40 Prozent kinderlosen Akademikerinnen“ Panik oder Politik machen will, liegt falsch. Eine neue statistische Auswertung am DIW in Berlin zeigt: Kaum mehr als zwanzig Prozent der studierten Frauen bleiben kinderlos

VON ULRIKE WINKELMANN

Nur 23 Prozent der Akademikerinnen bleiben dauerhaft kinderlos. Dem gegenüber steht eine Kinderlosenrate von zwanzig Prozent aller Frauen der Jahrgänge 1951 bis 1965. Dies ergibt die jüngste Auswertung des Sozioökonomischen Panels am Berliner DIW, dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.

DIW-Forscher Christian Schmitt aktualisiert in seinem Bericht „Kinderlosigkeit von Akademikerinnen überbewertet“ seine eigenen Studien von 2004 und 2005, in denen er den gängigen Annahmen über die studierte Kinderlosigkeit bereits scharf widersprach. Dennoch kursiert in der Öffentlichkeit weiter die Zahl von 40 Prozent kinderlosen Akademikerinnen.

Schmitt erklärt nun noch einmal, woher diese – falschen – 40 Prozent kommen: Der Mikrozensus, Grundlage der Daten des Statistischen Bundesamts in Wiesbaden, erfragt nicht, ob eine Frau jemals Kinder hatte. Sondern er erfasst nur Kinder, die aktuell im Haushalt leben. Möglicherweise aber sind gerade Kinder von Akademikerinnen ein halbes Jahr im Ausland oder sonst wo. Überdies erfasste der Mikrozensus immer nur Frauen bis 39 Jahren. Damit wurde er dem besonders bei Akademikerinnen verbreiteten Trend zur späten Geburt nicht gerecht.

Wenn in der öffentlichen Debatte von Akademikerinnen die Rede ist, sind außerdem oft Frauen mit Universitätsabschluss gemeint. Unterschlagen wird dadurch, dass Frauen mit Fachhochschulabschluss seltener kinderlos bleiben als die Absolventinnen von Universitäten oder Technischen Hochschulen, die die höchsten Kinderlosigkeitsraten aufweisen.

Letztgenannte schieben eine erste Geburt weit auf – oft zu weit, so dass sie ungewollt zu einem Gesamtanstieg der dauerhaft Kinderlosen beitragen, erklärt Schmitt. Doch auch für die letzten, sprich: jüngsten Jahrgänge aller Akademikerinnen, die ihre fruchtbare Phase abgeschlossen haben – 1951 bis 1965 – misst er bloß einen Anteil von 23 Prozent dauerhaft Kinderlosen. Klammert man hiervon wiederum Migrantinnen und DDR-Hochschulabsolventinnen aus, die gebärfreudiger sind, kommt man immer noch nur auf einen Anteil von 30 Prozent kinderloser Akademikerinnen.

Dennoch könne auch von einem wachsenden Anteil kinderloser Hochschulabsolventinnen „keine Rede sein“, schreibt Schmitt. Denn ähnliche Quoten wiesen auch schon die Akademikerinnen der Jahrgänge 1936 bis 1945 auf – die Eltern der so geburtenstarken „Babyboomer“-Jahrgänge. Da Akademikerinnen außerdem immer noch keine Mehrheit in der Bevölkerung stellen, empfiehlt Schmitt, „dass die Familienpolitik sich keineswegs nur auf diese Gruppe konzentrieren sollte“.

Im aktuellen Gesetzentwurf zum Elterngeld der Familienministerin wird gleichwohl den Studierten besondere Aufmerksamkeit gewidmet. 39 Prozent der 35- bis 39-jährigen Akademikerinnen leben „ohne Kinder im Haushalt“, beklagt Ursula von der Leyen (CDU) dort mittlerweile zwar statistisch weitgehend korrekt – aber irreführend.

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