Tausende Tote nach Erdbeben auf Java

Die Katastrophe in der Region rund um die indonesische Stadt Yogyakarta fordert bis zu 20.000 Verletzte und macht rund 200.000 Menschen obdachlos. Helfer rechnen mit weiter steigenden Opferzahlen. Befürchteter Tsunami bislang ausgeblieben

VON NICOLA GLASS

Nach dem schweren Erdbeben, das am Samstag die indonesische Insel Java erschütterte, sind die ersten Hilfslieferungen gestern im Katastrophengebiet angekommen. Am schlimmsten getroffen hat es die Region um Bantul südlich der 600.000-Einwohner-Stadt Yogyakarta, eines der wichtigsten kulturellen Zentren Javas und Anziehungspunkt für Touristen. „Bitte versuchen Sie, Ruhe zu bewahren, wir tun alles, was in unserer Macht steht, um zu helfen“, versuchte Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono verzweifelte Bewohner zu besänftigen, als er am Samstag im Erdbebengebiet eintraf. Das Epizentrum des Bebens der Stärke 6,2 auf der Richterskala lag nur etwa 40 Kilometer vor der Südküste. Nach Regierungsangaben von gestern Abend kamen mehr als 4.600 Menschen ums Leben. Helfer befürchten jedoch, dass sich unter den Trümmern der zerstörten Häuser noch viele weitere Opfer befinden. Vizepräsident Jusuf Kalla sprach von bis zu 20.000 Verletzten. Das Indonesische Rote Kreuz schätzt, dass rund 200.000 Menschen durch das verheerende Erdbeben obdachlos wurden.

Auch Deutschland hat praktische Unterstützung zugesagt. Das Auswärtige Amt in Berlin kündigte zudem rund 500.000 Euro Soforthilfe an. Deutsche Hilfswerke riefen zu Spenden auf. Andere internationale Regierungen schickten ebenfalls Einsatzkräfte oder versprachen finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe.

Unterdessen sandte das Welternährungsprogramm Nahrungsmittel und Trinkwasser nach Java, das UN-Kinderhilfswerk Unicef mehrere tausend dringend benötigte Zelte und Planen. „Es fehlt hier vor allem an Personal, medizinischer Ausrüstung und Medikamenten“, so ein Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation.

Für die Bewohner von Yogyakarta und Bantul kam das Erdbeben völlig überraschend: Die heftigen Stöße hatten die Menschen kurz vor 6 Uhr morgens aus dem Schlaf gerissen. „Alles ist kaputt“, klagt ein 44-Jähriger, der von den Trümmern eingeschlossen wurde, dann aber gerettet werden konnte. „Uns gehen die Kleider aus, weil wir damit die Toten bedecken“, sagt Wariyanto, ein anderer Einwohner. Mit bloßen Händen gruben die Menschen im Schutt nach Überlebenden. Seinen eigenen Sohn konnte Wariyanto nur noch tot bergen. Panik hatte sich vor allem breit gemacht, als die Einwohner glaubten, die Erdstöße würden einen Tsunami auslösen. Viele hatten deshalb versucht, zu Fuß oder auf Motorrädern zu fliehen.

Wegen der zahlreichen Nachbeben übernachteten mehrere zehntausend Menschen aus Angst im Freien oder suchten Zuflucht in Moscheen. Viele Verletzte harrten auf Parkplätzen und Straßen vor den überfüllten Krankenhäusern aus, wo ihnen Verbände und Infusionen angelegt wurden. Die Kliniken der Region waren sofort total überlastet. Es fehlt weiterhin an Chirurgen, die dringende Notoperationen vornehmen müssten. „Da die Hospitäler völlig überfüllt sind, haben wir und andere Hilfsorganisationen Feldlazarette eingerichtet“, berichtete gestern Howard Arfin, ein Koordinator des Roten Kreuzes.