Geld verzocken nur bei Vater Staat

Bundesweit werden die privaten Wettbüros geschlossen und die staatliche Oddset so von Konkurrenz befreit

BERLIN taz ■ Bundesweit sollen hunderte private Agenturen für Sportwetten geschlossen werden. Hessen, Berlin, Nordrhein-Westfalen, Bayern, Baden-Württemberg verschicken derzeit massenweise Unterlassungsverfügungen an private Wettbüros und bereiten deren Schließung vor. „Wir werden konsequent gegen illegale Sportwett-Anbieter in Baden-Württemberg vorgehen“, sagte der Karlsruher Regierungsvizepräsident Eberhard Wurster. Wer nicht freiwillig schließt, wird von Amts wegen dicht gemacht. Den Wettbüros droht ein Zwangsgeld bis zu 10.000 Euro. Der Gang vors Gericht hat keine zwingend aufschiebende Wirkung.

Etwa 3.000 private Wettbüros gibt es Deutschland. Sie setzen mit etwa 1,5 Milliarden Euro etwa dreimal so viel um wie die staatliche Oddset, obwohl diese mit 27.000 Lottoannahmestellen ein besseres Vertriebsnetz besitzt. Dennoch verlor Oddset in den letzten vier Monaten 20 Prozent Umsatz im Vergleich zum Vorjahr. Das meiste davon ging an die Konkurrenz, die oft bessere Gewinnquoten bietet.

„Vor eineinhalb Jahren gab es schon einmal eine ähnliche Situation. Der Unterschied ist, dass nun eine höchstrichterliche Entscheidung in der Sache vorliegt“, sagt der Bielefelder Anwalt Jusuf Kartal. Er vertritt in Deutschland etwa 500 Wettbüros von einem Dutzend Anbietern.

Ende März hatte das Bundesverfassungsgericht (BVG) eigentlich im Sinn privater Wettanbieter entschieden: Das staatliche Wettmonopol sei verfassungswidrig, urteilte das höchste deutsche Gericht. Private dürften nur vom Wettbetrieb ausgeschlossen werden, wenn das Monopol allein der Eindämmung der Spielsucht diene. Davon könne bei Oddset aber keine Rede sein: Zu aggressiv sei die Oddset-Werbung, ein Präventionswille sei kaum zu erkennen, befanden die Richter.

Trotzdem fühlen sich Länder wie Baden-Württemberg durch das Urteil gestärkt: „Das Gericht hat bestätigt, dass Wetten von privaten Wettunternehmen weiterhin verboten ist“, so Wurster. Zum Verhängnis wird den Oddset-Konkurrenten offenbar nun eine Übergangsfrist, die das Bundesverwaltungsgericht Oddset zugebilligt hat. Bund und Länder haben Zeit bis Ende 2007, ihr Wettangebot verfassungskonform zu gestalten. Bis dahin dürfen private Wetten „weiterhin unterbunden werden“ und die private Konkurrenz vom lukrativen Wettboom der WM in Deutschland ausgeschlossen werden. Diese werden nun gegen ihre Schließung klagen. Je nach geografischer Lage werden sie auch ab und an – wie jüngst in Hamburg – Recht bekommen. Auch der Gang zum Europäischen Gerichtshof steht an, da Deutschland aus ihrer Sicht gegen die Dienstleistungsfreiheit in der EU verstoße.

Vor diesem Hintergrund fordert auch das BVG, den deutschen Wettmarkt wie in anderen europäischen Ländern zu liberalisieren. Die EU-Kommission sieht das ähnlich: Seit 4. April läuft deshalb ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik. Eine Arbeitsgruppe der Ministerkonferenz will dazu am 22. Juni eine Stellungnahme abgeben.

Sportwetten-Anwalt Jusuf Kartal geht davon aus, dass „das Monopol mit allen Mitteln verteidigt werden soll“. Sollte die EU mit der Erklärung nicht zufrieden sein, wird sie parallel zu den Wettanbietern vor dem EuGH klagen. Und das, sagt Kartal, könnte für die Länder und die Kommunen teuer werden: Die privaten Wettanbieter werden dann ihre Einnahmeausfälle einklagen. RENÉ ZIPPERLEN