AKADEMIKERINNEN BEKOMMEN KAUM WENIGER KINDER ALS ANDERE FRAUEN
: Politik mit falschen Zahlen

Es war im Sommer 2004, als es die damalige Familienministerin Renate Schmidt von der SPD endlich geschafft hatte: Der Kanzler stellte sich hinter ihr Elterngeld, das Müttern und Vätern im Babyjahr zwei Drittel ihres letzten Lohns ersetzen sollte. Gerhard Schröder begründete dies damals teils augenzwinkernd, teils warnend mit der „gefährlichen Zurückhaltung“, die gerade Akademikerinnen beim Kinderkriegen aufwiesen.

Seither ist die Behauptung, studierte Frauen bekämen zu wenige Kinder, wichtigster Bestandteil der Begründung für das Elterngeld geblieben: 40 Prozent der Akademikerinnen bleiben kinderlos, heißt es immer wieder unter Berufung auf das Statistische Bundesamt. So wird mit Zahlen Politik gemacht – und zwar mit falschen Zahlen. Denn an den 40 Prozent ist nichts dran.

Schon 2004 häuften sich unter Statistikern die Zweifel an den exorbitant hohen Kinderlosigkeitsraten der Wiesbadener Bevölkerungsvermesser. Spätestens seit Anfang 2005 aber könnte jeder, der sich für Demografie interessiert, wissen: Studierte Frauen sind nur unwesentlich kinderloser als Unstudierte. Die Raten liegen unter 30 Prozent und damit sogar unter den Quoten, die die Bevölkerungspaniker mit Methusalem-Komplex für den ganzen Bundesschnitt angeben. Dies ergibt die Auswertung eines der zuverlässigsten Datensätze der Republik, des Sozioökonomischen Panels am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Auch das Statistische Bundesamt hat seine Zahlen längst – wenn auch unauffällig – revidiert. Die Amtsdemografen werden nun noch einmal zusammenzucken, wenn sie die jüngsten Berliner Erhebungen lesen: Demnach liegt die Kinderlosenrate bei Akademikerinnen sogar unter 25 Prozent.

Es stimmt schlicht nicht, dass Frauen mit Studium immer weniger Kinder kriegen – sie kriegen sie vor allem später. Damit fällt das argumentative Gerüst aus augenzwinkernder Ermutigung plus düsterer Zukunftsbeschwörung zusammen, mit dem die Politik den Hochschulabsolventinnen signalisiert, dass ihre Kinder die klügsten und besten und deshalb besonders willkommen seien. Das ideologische Unterfutter für das Elterngeld, das besonders bei den – fast ausnahmslos studierten – Journalistinnen wirkt, es entbehrt der Fakten.

Möglicherweise fällt damit den Bevölkerungspolitikern mit Hang zum privilegierten Kind doch noch ein, dass sich die Förderung auch des ärmeren Nachwuchses lohnen könnte: mit Bildungspolitik zum Beispiel. Oder mit einem Elterngeld, das weniger krass von unten nach oben umverteilt als bisher geplant. ULRIKE WINKELMANN