Tendenz positiv

VON DOMINIC JOHNSON

25 Millionen Tote in 25 Jahren: Das ist die tödliche Bilanz der Immunschwächekrankheit Aids seit Anfang der 80er-Jahre. 65 Millionen Menschen haben sich seitdem weltweit mit dem HI-Virus infiziert. 2005 kamen 4,1 Millionen dazu, 2,8 Millionen starben. 38,6 Millionen Menschen leben jetzt mit Aids. Das schreibt das UN-Aidsbekämpfungsprogramm „UNAIDS“ in seinem gestern veröffentlichten Welt-Aids-Bericht.

Dennoch birgt der Bericht hoffnungsvolle Signale: Der Kampf gegen Aids kann nicht nur theoretisch durch bessere Prävention und Behandlung gewonnen werden, sondern auch in der Praxis. Immer mehr Länder melden fallende Infektionsraten. Die Anzahl der Kranken, die mit lebensverlängernden Medikamenten behandelt werden, nimmt rapide zu. Und die wohl hoffnungsvollste Aussage: Der Anteil der Weltbevölkerung mit Aids steigt nicht mehr.

„Insgesamt wird angenommen, dass die HIV-Infektionsrate in den späten 90er-Jahren ihre Höhepunkt erreichte und sich danach stabilisierte, trotz wachsender Raten in mehreren Ländern“, bilanziert UNAIDS. Dies gilt auch „für die meisten Länder Afrikas südlich der Sahara“ – nach wie vor die Weltregion, in der Aids am dramatischsten ist. Kenia und Simbabwe, Haiti und Burkina Faso, Uganda und die Elfenbeinküste, Kambodscha und Thailand – so unterschiedliche Länder melden sinkende HIV-Verbreitungsraten, wenn auch oft konzentriert auf städtische Gebiete und Bevölkerungsgruppen mit Schulbildung.

Der Bericht korrigiert bisherige Schätzungen nach unten, wie dies in den letzten Jahren öfters vorgekommen ist. Zum Weltaidstag 2005 hatte UNAIDS noch von über 40 Millionen Menschen mit HIV/Aids auf der Welt gesprochen. Diesmal, so betont die Organisation, ist die Datenbasis besser denn je zuvor. Zur Berechnung der HIV-Verbreitungsraten wird außerdem nicht mehr nur die Bevölkerungsgruppe zwischen 15 und 49 Jahren zugrunde gelegt, sondern alle Einwohner über 15 Jahren. Dadurch sinken automatisch die Quoten – beim Spitzenreiter Botswana beispielsweise von 38 auf 24,1 Prozent.

In den Detailzahlen verbergen sich zuweilen erstaunliche Entwicklungen. Antiretrovirale Therapien – die effektivste Methode der Behandlung von Aidskranken – erreichte in Uganda 2003 6,3 Prozent der Bedürftigen – zwei Jahre später waren es 56 Prozent. In Namibia stieg die Quote im gleichen Zeitraum von 0 auf 35 Prozent. In Afrika wurden 2003 lediglich 100.000 Aidskranke mit Medikamenten behandelt, 2005 waren es schon 810.000. Weltweit stieg die Zahl 2003 bis 2005 von 400.000 auf 1,3 Millionen.

Dies ist immer noch viel zu wenig – selbst das seinerzeit als unzureichend kritisierte Ziel der Weltgesundheitsorganisation von vor drei Jahren, bis 2005 drei Millionen Kranke weltweit in Behandlung zu haben, ist noch nicht einmal zur Hälfte erfüllt. Weltweit ist bis heute lediglich jede fünfte junge Frau und jeder dritte junge Mann (Altersgruppe: 15 bis 24) über die Übertragungswege des HI-Virus korrekt informiert. Das Ziel von 2001 für 2005 hieß: 90 Prozent. „Kein Land hat das erreicht“, bilanziert UNAIDS lapidar. ARV-Prophylaxe für schwangere Mütter gibt es weltweit nur für neun Prozent der Betroffenen – das Ziel hieß: 80 Prozent. UNAIDS: „Kein Land hat das erreicht“.

Heute beginnt in New York eine Sondersitzung der UN-Generalversammlung zu Aids – Nachfolgeveranstaltung zum UN-Aids-Gipfeltreffen von 2001, auf dem erstmals international koordinierte Finanzierungsmechanismen für die Aidsbekämpfung gegründet wurden. „Zum ersten Mal in der Geschichte verfügt die Welt über die Mittel, die Umkehr der globalen Epidemie einzuleiten“, schreibt UN-Generalsekretär Kofi Annan in seinem Bericht, der dem Gipfel als Grundlage dient. „Doch Erfolg wird einen beispiellosen Willen aller Akteure erfordern.“