„Politisch ist das nicht in Ordnung“

Die Entscheidung des Düsseldorfer Stadtrates beschädigt den Heine-Preis, sagt der kulturpolitische Sprecher des Landtags. „Man sollte ihm jetzt den Preis auch geben und sich der Debatte stellen“

taz: Herr Keymis, Peter Handke soll den Heinrich-Heine-Preis doch nicht bekommen. Ist das ein sauberes politisches Verfahren?

Oliver Keymis: Nein. Es handelte sich um eine unabhängige Jury. Deren Unabhängigkeit besteht in dem Moment nicht mehr, wo eine andere Jury – in dem Fall der Rat der Stadt – sich an ihre Stelle setzt und die Entscheidung rückgängig macht. Formal kann das in Ordnung sein, politisch ist das Verfahren nicht in Ordnung.

Sollte der Heine-Preis dann in diesem Jahr an niemanden vergeben werden?

Wenn der Rat der Stadt Düsseldorf diese Entscheidung der Jury zurückholt, erscheint es mir überhaupt nicht vertretbar, diesen Preis einem anderen zu geben.

Die Grünen im Stadtparlament stimmen auch gegen Handke.

Die Grünen sind frei in ihrer Entscheidung. Das grüne Mitglied in der Jury hatte sich ja schon vorher gegen Handke entschieden, das ist also konsequent. Eine andere Frage ist, ob der Rückholbeschluss politisch in Ordnung ist.

Was ist schlimmer: dass Handke den Preis nicht bekommt, oder dass seine Stücke in Paris vom Spielplan genommen werden?

Stücke vom Spielplan nehmen finde ich schlimmer. Weil damit Zensur ausgeübt wird. In NRW steht er ja auch auf Spielplänen. Ich möchte mir nicht vorstellen, dass hier so etwas passiert.

Was müsste jetzt passieren?

Was ich schlimm finde, ist, dass man ihm erst mit einer unabhängigen Jury den Preis zuerkannt hat und nun unter dem medialen und politischen Druck mit dem Stadtrat wieder aberkennt. Damit beschädigt man den Preis selbst und auch den Schriftsteller. Mich stört die Hetze, die darum entstanden ist. Man muss sich mit Handke auseinander setzen. Ich bin nicht seiner politischen Meinung, aber man sollte ihm jetzt den Preis auch geben und sich anschließend der Debatte stellen. Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden. Wenn der Preis so im Sinne von Heine gemeint war, dann sollte man sich nicht der Diskussion versagen.

Ist der Heine-Preis also ein rein politischer Preis?

Ja, offenbar ist das ein politischer Preis. Sicher auch insofern, als es auch auf die Frage ankommt, ob sich jemand politisch verhält. Handke hat sich politisch verhalten – und das sehr streitbar, vielleicht manchmal geradezu bizarr. Ist der Heine-Preis also ein politischer Preis, könnte man ihn Handke verleihen. Aber in dem Sinne, dass er möglicherweise nicht so gesprochen hat, wie fast alle meinen, dass man sprechen muss, ist er wohl nicht der richtige Preisträger.

INTERVIEW: PETER ORTMANN