Hafenviertel am Hauptbahnhof

Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) kippt die Umbauung des Humboldthafens und will neu diskutieren. Der Senat schaffte zuvor Baurecht für Vivico

Zwei Tage nach Eröffnung des neuen Hauptbahnhofs hat Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) angekündigt, die bisher geplante Bebauung rund um den Humboldthafen einer „kritischen Prüfung“ zu unterziehen. „Es ist jetzt an der Zeit zu sehen, ob die geplante Umbauung des Hafens nach den Plänen von Oswalt Mathias Ungers dem Ort angemessen ist“, sagte Junge-Reyer nach der gestrigen Senatssitzung. Zuvor hatte das rot-rote Bündnis am südwestlichen Rand des Bahnhofs den Weg für den Bau von vier Blöcken freigemacht.

Das Gelände des Humboldthafens zwischen Invalidenstraße, Charité, Spree und Bahnhof hat Junge-Reyers Verwaltung hingegen eigens aus dem Bebauungsplanentwurf herausgenommen. Damit folgte die Senatorin den Vorschlägen ihres neuen Stadtplanungschefs Reiner Nagel, der den Hafen zu einer „Adresse von Weltformat“ machen möchte. Dazu, so Nagel vor einer Woche im taz-Interview, dürfe man mit einer Umbauung nicht nur „die erste Reihe erreichen“. Vielmehr müssten sich die Bauten zum Hafen hin öffnen. Auch müsse der Hafen touristisch genutzt werden können.

Im Gegensatz zu Nagel besteht Senatsbaudirektor Hans Stimmann auf dem Entwurf von Ungers. Die ihm unterstehende Abteilung Städtebau bestritt sogar die Zuständigkeit Nagels in dieser Angelegenheit. Nagel war vor acht Monaten aus Hamburg nach Berlin gekommen. An der Elbe war er unter anderem zuständig für die Entwicklung der neuen Hafen-City.

Um für den Hafen die beste Bebauung zu finden, setzt die Senatorin dagegen nicht auf Zuständigkeiten, sondern auf eine „kontroverse Diskussion“. Die soll demnächst bereits auf einer Standortkonferenz zum Humboldthafen begonnen werden. Einladen will Junge-Reyer dazu auch Experten aus Architektur und Stadtplanung.

Der Bebauungsplan für die vier Blöcke im Südwesten des Bahnhofs, den der Senat gestern beschloss, muss unterdessen noch vom Abgeordnetenhaus bestätigt werden. Wann der Eigentümer Vivico, der die ehemaligen Flächen der Bahn entwickelt, mit dem Bau beginnt, steht allerdings noch in den Sternen. Nicht einmal Bahnchef Hartmut Mehdorn, so Junge-Reyer, habe ihr das verraten können. „Das ist wie beim Alexanderplatz“, sagte Junge-Reyer. „Wir schaffen das Baurecht, danach aber können wir nur noch warten.“ Auch über der Bebauung der Bahnflächen nördlich der Invalidenstraße steht nach Angaben der Senatorin noch ein großes Fragezeichen. Die Flächen rund um den Humboldthafen gehören dagegen dem Land Berlin. UWE RADA