Hauptschülers letzte Epoche

Senat beschließt Maßnahmen, damit mehr Schüler den ersten Bildungsabschluss schaffen. Statt sturem 45-Minuten-Takt gibt es fächerübergreifenden Unterricht. Modellprojekte fallen dürftig aus

von Kaija Kutter

Manchmal ist die Politik schneller als die Politik. Als Bildungssenatorin Alexandra Dinges-Dierig (CDU) vor zwei Jahren antrat, gab sie in ihrem Haus ein Konzept zur Stärkung der Hauptschule in Auftrag. Inzwischen ist es Linie der Hamburger CDU, sich mit der SPD auf ein Zwei-Säulen-Modell ohne eigenständige Hauptschule zu verständigen. Einmal erarbeitet und vom Senat beschlossen, erblickte das alte Hauptschul-Konzept gestern dennoch das Licht der Welt.

Es gebe bei den Hauptschulen einen „dringenden Handlungsbedarf“, sagte Dinges-Dierig. Zwölf Prozent der Hamburger Schüler schafften gar keinen Abschluss. Und 35 Prozent der bei Pisa getesteten Hamburger Schüler erlangte nur das unterste Kompetenzniveau, was bedeute, dass sie „nicht mal einen halbseitigen Text mit eigenen Worten zusammenfassen können“. Deshalb müssten dringend die Qualität und Quantität dieses „ersten Bildungsabschlusses“ steigen. Einen Widerspruch zur aktuellen Strukturdebatte sah Dinges-Dierig nicht. Schließlich seien zentrale Elemente „auf alle Schulformen übertragbar“.

Kernpunkt soll dabei die „Verbesserung des Unterrichts“ sein, wobei Dinges-Dierig von den Waldorfschulen abkupfert: Der alte Fächerunterricht im 45-Minuten-Takt soll durch neue, „überwiegend epochale“ Unterrichtsformen ersetzt werden. So bekommen die Schulen „Kontingentstundentafeln“, die es erlauben, die in fünf Jahren Schulzeit geforderten Deutsch-, Mathe- oder Englischstunden beliebig zu strecken oder zu bündeln. Neben diesen „Basisfächern“ soll es nur noch die „Lernbereiche“ Natur und Technik, Kunst und Arbeitswelt geben.

Halbjahreszeugnisse können die Schulen durch „Zielklärungsgespräche“ und „Lernvereinbarungen“ ersetzen. Zentrale Vergleichsarbeiten in Klasse sechs und acht sollen zeigen, welche Kompetenzen die Schüler erreicht haben. Die Feststellung „individueller Kompetenzprofile“ in Klasse acht sollen bei der Berufswahl helfen.

Mehr Interesse am Lernen soll der frühe Kontakt zur Praxis bewirken. Versuche mit 29 Hauptschulen, die die Schüler ab Klasse sieben zwei Tage pro Woche in Betriebe schickten, ergaben, dass deren Schulleistung „eher besser“ wurde. Künftig dürfen alle 70 Hauptschulen diese Praxislerntage ohne Genehmigung einführen. Es könnte ein Gerangel um Plätze geben.

Ziemlich klein fallen zwei Schulversuche aus, die zum August starten: Dinges-Dierig hatte schon häufiger verkündet, das Sitzenbleiben an Hauptschulen abzuschaffen und durch individuelle Förderung zu ersetzen. An dem auf vier Jahre angelegten Test ohne Ehrenrunden beteiligen sich nun aber nur acht Schulen mit je einer Klasse.

Bei den zwölf Prozent Hauptschülern, die ohne Abschluss bleiben, ist das laut Dinges-Dierig „schon am Ende von Klasse acht absehbar“. Für sie soll es ein spezielles zweijähriges „Bildungsangebot“ geben, das ihnen hilft, die Schule erfolgreich zu beenden. Obwohl dies weit über 1.000 Schüler nötig hätten, nehmen an einem entsprechenden Modellversuch nur vier Klassen teil.