Benzin aus Zuckerrüben

Zuckerproduzenten stellen von Lebensmittel- auf Treibstoffherstellung um. Exportverbot für Zucker und deutsche Steuerbefreiung machen Biosprit attraktiv

BRAUNSCHWEIG taz ■ Die Zuckerindustrie setzt auf Biosprit. „Der Liter Benzin kostet zurzeit in Rotterdam 50 Cent. Zu diesem Preis können wir auch produzieren“, sagte Ulrich Nöhle, Vorstandsvorsitzender der Nordzucker AG gestern. Deshalb will Nordzucker in Klein Wanzleben ab Oktober nächsten Jahres aus Zuckerrübensaft rund 130.000 Kubikmeter Bioethanol produzieren.

Damit folgt der drittgrößte Zuckerhersteller Europas dem Marktführer Südzucker. Die Mannheimer haben am Mittwoch angekündigt, dass sie eine neue Bioethanol-Fabrik in Belgien bauen wollen und bereits bestehende Anlagen im ostdeutschen Zeitz, in Ungarn und Frankreich ausbauen.

Mit dem Schritt in die Spritherstellung reagieren die Konzerne auf ein Urteil der Welthandelsorganisation (WTO). Bislang durften sie die Rüben, die die Bauern über die von der EU festgelegten Quoten hinaus in die Zuckerfabriken lieferten, zu so genanntem C-Zucker verarbeiten und ihn auf den Weltmarkt exportieren. Die drei großen Zuckerexporteure Brasilien, Thailand und Australien verklagten die EU wegen Preisdumpings vor der Welthandelsorganisation (WTO). Die gab den Klägern Recht und untersagte den Export von C-Zucker. Nordzucker hat deswegen bereits ein Werk in Wierthe geschlossen, ein weiteres in Groß Munzel macht in diesem Jahr dicht.

Weil die Bauern aber noch immer mehr Rüben auf den Markt bringen als in Europa für die Zuckerproduktion gebraucht werden, suchen die Produzenten nach neuen Absatzmöglichkeiten. Dabei hilft ihnen erneut die EU. Denn die hat beschlossen, dass bis 2010 die Treibstoffe zu 5,75 Prozent aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen sollen. In Deutschland müssen ab 2007 die Mineralölkonzerne ihrem Benzin zwei Prozent Bioethanol beimischen. „Bioethanol ist bis Ende 2009 steuerfrei“, so Nöhle.

Allerdings startet Nordzucker zunächst bescheiden. 70 Millionen Euro werden in Klein Wanzleben investiert. Der deutlich größere Konkurrent Südzucker will 500 Millionen für die Bioethanolproduktion ausgeben. Doch Nöhle traut offenbar der Politik nur bedingt. „Jetzt ist der Ölpreis hoch, und alle rufen nach Biosprit. Wir müssen diesen neuen Industriezweig in Europa aber auch schützen,wenn der Ölpreis sinkt“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Er fordert einerseits die Beibehaltung der Importzölle auf Bioethanol und langfristige Zusagen der Politiker: „Wir brauchen einen 20-Jahres-Plan.“

Generell zeigte sich der Nordzucker-Chef optimistisch. Zwar haben die Werkschließungen, verringerte Zuckerquoten und geringere Preise im vergangenen Geschäftsjahr den Gewinn um 13 Millionen Euro auf 69 Millionen Euro sinken lassen. Und „noch ist nicht klar, wer auf dem Markt bleibt“, sagt Nöhe. In einigen Jahren werde der allergrößte Teil des europäischen Marktes von fünf großen Zuckerproduzenten beherrscht, glaubt der Nordzucker-Chef. Sein Unternehmen werde aber selbstverständlich dazugehören.

STEPHAN KOSCH