WASG hat den Rücken frei

Der Landeswahlausschuss stimmt für die Zulassung der Wahlalternative zur Abgeordnetenhauswahl. Die als Rettungsboot zur Wahl angemeldete WASB können die Genossen damit absaufen lassen

VON MATTHIAS LOHRE

Es könnte ihr letzter Sieg für lange Zeit sein, aber das störte die WASG-Mitglieder nicht. Der Landeswahlausschuss votierte gestern ohne Gegenstimme dafür, den Landesverband zur Abgeordnetenhauswahl am 17. September zuzulassen. Nach der Entscheidung des Landgerichts vom Mittwoch, den Landesvorstand per einstweilige Verfügung wieder einzusetzen, ist das der zweite WASG-Erfolg in zwei Tagen. Der Weg zum Wahlantritt in Konkurrenz zur ungeliebten Linkspartei ist frei.

Eine Überraschung war die Entscheidung spätestens seit Mittwoch nicht mehr. Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskás hatte gegenüber einer Zeitung durchblicken lassen, dass er den Parteienvertretern im Wahlausschuss die Zulassung empfehlen werde. Traditionellerweise folgen die Ausschussmitglieder der Empfehlung des Fachmanns – und taten es auch gestern. Nur die Beisitzerin Halina Wawzyniak enthielt sich bei der Abstimmung im sechsköpfigen Gremium. Als Vertreterin der Linkspartei erklärte sie sich für befangen. Nach eigener Aussage wollte der PDS-Landesvorstand damit Verdächtigungen vermeiden, die Partei verfolge bei der Abstimmung „politische Interessen“. Die Linkspartei könnte am Wahlabend Stimmen an die verhasste WASG verlieren, die zur Weiterführung von Rot-Rot fehlen.

Im voll besetzten Saal der Innenverwaltung waren die parteiinternen Kontrahenten zum zweiten Mal in 24 Stunden aufeinander geprallt. Der Anwalt des WASG-Bundesvorstands, Ulf Wende, hatte bereits am Mittwoch vor dem Landgericht argumentiert, die rebellischen Berliner verstießen erheblich gegen Grundsätze der Partei. Vergeblich. Nicht nur parteienrechtlich, auch wahlrechtlich hat der Landesvorstand im Präzedenzfall Recht bekommen. Die WASG, die in Umfragen derzeit bei einem Prozent dümpelt, darf antreten. Auch die angekündigte Revision seitens der Bundesspitze wird daran voraussichtlich nichts ändern. Die Zeit läuft ihr davon.

Jetzt steht der Landesvorstand vor einer bizarren Situation: Sie steht in Konkurrenz zur WASB. Wahlalternativler um Gründungsmitglied Birger Scholz hatten im Mai die „Wahlalternative Soziales Berlin“ zur Wahl angemeldet – eine Art Rettungsring für den Fall, dass der WASG-Wahlantritt baden geht. Die rund 20 Mitglieder große WASB ließ der Wahlausschuss ebenfalls zur Wahl zu. Doch eine Lösung gibt es: Die Parteien müssen bis zum 11. Juli insgesamt 2.200 Unterschriften sammeln, um tatsächlich antreten zu dürfen. Das Gleiche gilt für die ebenfalls zugelassene „Wahlalternative für Arbeitsplätze und soziale Gerechtigkeit Berlin (Berlin WAS Geht!)“.

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann ätzte gestern in Richtung Ex-PDS, mit der seine Partei im Wettstreit um die Regierungsbeteiligung steht: „Wird nach einer Fusion die Berliner Landespolitik der Linkspartei per ‚Ukas‘ von Lafontaine bestimmt?“

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