Aidsgipfel fällt hinter Erwartung zurück

Afrikanische Regierungen beugen sich der Prüderie von Muslimen und US-Konservativen: Die Abschlusserklärung der wichtigsten Aidskonferenz der Vereinten Nationen seit fünf Jahren wird damit verwässert. Aidsaktivisten sind empört

VON DOMINIC JOHNSON

Der gestern beendete Sondergipfel der Vereinten Nationen zur Aidsbekämpfung in New York ist hinter den Erwartungen der Betroffenen zurückgeblieben. Massive Vorbehalte afrikanischer und islamischer Länder haben verhindert, dass in der Abschlusserklärung eindeutig Position zugunsten von Risikogruppen bezogen wird. Politischer Streit unter anderem mit den USA sorgte außerdem dafür, dass keine verbindlichen internationalen Zielvorgaben zur Erhöhung des weltweit verfügbaren Finanzrahmens für die Aidsbekämpfung und zur Festlegung von Erfolgsmarken bei Prävention und Behandlung ausgehandelt werden konnten.

Fünf Jahre nach dem letzten Aidsgipfel der UNO, der große Fortschritte in Richtung eines verstärkten und besser koordinierten Kampfes gegen Aids gebracht hatte, dominiert somit eher Enttäuschung. „Ohne eindeutige Zeitangaben und verbindliche Finanzierungszusagen bleibt ein allgemeiner Zugang zu Prävention und Behandlung für die meisten Menschen in den Entwicklungsländern weiterhin ein leeres Versprechen“, kritisierte Katja Roll, Geschäftsführerin des deutschen „Aktionsbündnisses gegen Aids“.

Das dreitägige Gipfeltreffen war von Anfang an von Streit zwischen Aidsaktivisten und manchen Regierungen überschattet. Arabische und afrikanische Regierungen lehnten einen ersten Entwurf der Abschlusserklärung, in dem Homosexuelle, Schwule und Drogennutzer als zu schützende Risikogruppen genannt wurden, strikt ab und setzten durch, dass nur allgemein von „gefährdeten Gruppen“ die Rede ist. Dies, kritisierten afrikanische Aidsaktivisten, widerspreche einer Einigung, die Afrikas Regierungen auf einem Vorbereitungsgipfel in Nigeria im Mai getroffen hätten.

Verhandlungen in der Nacht zu gestern, um nach dem Erfolg der Konservativen doch noch einige der strittigen Punkte wieder in den Entwurf der Gipfelerklärung aufzunehmen, scheiterten. Zunächst war davon die Rede gewesen, es werde zum gestrigen Gipfelabschluss ein neuer Entwurf vorgelegt werden. Laut der deutschen Aktivistin Roll sind aus der Erklärung außerdem sämtliche Hinweise auf Frauenrechte, sexuelle Selbstbestimmung und den Kampf gegen häusliche Gewalt gestrichen worden. Dies hätten zivilgesellschaftliche Vertreter, denen von UN-Generalsekretär Kofi Annan die Beteiligung an sämtlichen Verhandlungsrunden gewährt worden war, gestern bekannt gegeben. „Man wollte bei dieser Konferenz Betroffenen eine Stimme geben, denn die wissen am besten, was sie brauchen; und dennoch wird nun eine Abschlusserklärung verabschiedet, die hinter viele andere zurückfällt“, kritisierte Roll.

Bei einer Aidsgala am Rande des Gipfels am Donnerstagabend kam es bereits zu Auseinandersetzungen mit radikalen Aidsaktivisten, die gegen eine Verwässerung der Abschlusserklärung lautstark protestierten. Rund 100 von ihnen wurden von der Polizei hinausgeworfen, meldete die britische Aidswebseite „Aidsmap“.