Ein politisches Patt in Tschechien

Nach den Parlamentswahlen liegen die Konservativen nur knapp vor den regierenden Sozialdemokraten. Beide Blöcke verfügen jeweils über die Hälfte der Mandate

PRAG taz ■ Den tschechischen Bürgerdemokraten (ODS) steht ein heißer Sommer bevor. Nach acht Jahren Opposition wurde die konservative Partei von ihrem Ehrenvorsitzenden und Staatspräsident Václav Klaus gestern mit der Regierungsbildung beauftragt. Die ODS ging als Sieger aus den Parlamentswahlen vom vergangenen Wochenende hervor. Aber sie wird es schwer haben, ihre 35,4 Prozent Wählerstimmen in eine regierungsfähige Mehrheit zu verwandeln. „Ich bin bereit, eine Regierung zu bilden und das Abgeordnetenhaus um sein Vertrauen zu bitten“, erklärte der ODS-Vorsitzende Mirek Topolánek. Wie er das anstellen will, ließ er offen.

Im 200-köpfigen tschechischen Abgeordnetenhaus herrscht seit Bekanntgabe der offiziellen Wahlergebnisse am späten Samstagabend eine klare Pattsituation. Auf der einen Seite steht der konservativ-grüne Block aus ODS, Christdemokraten und dem Parlamentsneuling der Grünen. Zusammen verfügen sie über 100 Mandate sowie das unbedingte Anliegen, die Kommunisten von der Regierung fern zu halten. Nur ist die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens mit 13 Prozent der Stimmen und 26 Sitzen die drittstärkste Kraft im Abgeordnetenhaus. Gemeinsam mit den regierenden Sozialdemokraten (ČSSD) mit einem Stimmanteil von 32,3 Prozent und 74 Mandaten bilden sie einen linken Block mit ebenfalls 100 Mandaten. Eine stabile Regierung werden diese Wahlen kaum hervorbringen.

Es sei denn, die beiden großen Parteien ODS und ČSSD begraben das Kriegbeil und bilden eine große Koalition. Gegenüber der Öffentlichkeit wird dies zwar nachdrücklich ausgeschlossen, vor allem von dem bisherigen Ministerpräsidenten und ČSSD-Vorsitzenden Jiří Paroubek. Der tut sich schwer damit, die Niederlage seiner Partei einzugestehen, und wirft der ODS vor, ihren Sieg „nicht mit sauberen Mitteln“ errungen zu haben. Schon am Tag nach der Wahl schlug Paroubek seiner Partei vor, in die Opposition zu gehen, und signalisierte der ODS damit, was er von einer großen Koalition hält.

Nicht alle Genossen sind allerdings der Meinung ihres Chefs. Eine Gruppe führender Sozialdemokraten soll dafür plädieren, in Gesprächen mit der ODS eine große Koalition zumindest in Erwägung zu ziehen. Dafür müssten sie allerdings ihren Parteivorsitzenden opfern, bei dem die Wahlkampagne viel Bitterkeit hinterlassen hat. Noch am Wahlabend hatte Paroubek der ODS vorgeworfen, die Ergebnisse im Vorfeld manipuliert zu haben. Er verglich sie mit dem kommunistischen Putsch 1948. Der Regierungschef hatte den Bürgerdemokraten vorgehalten, ihm mit fingierten Vorwürfen im Wahlkampf geschadet zu haben. Vier Tage vor der Wahl bezichtigte ein Polizeibericht führende Sozialdemokraten und Paroubek persönlich, Verbindungen zur Prager Unterwelt zu pflegen und die Arbeit der Polizei zu behindern. Der Rundumschlag des Regierungschefs traf auch die tschechischen Medien: Diese hätten ihn und seine Familie „wie Dreck behandelt“, warf er ihnen vor.

Bei so viel bösem Blut bleiben nur zwei Alternativen: Neuwahlen oder eine Regierung aus ODS, Christdemokraten und Grünen. Letzterer werden allerdings wenig Überlebenschancen vorausgesagt. Nicht nur, weil sie über keine verlässliche Mehrheit verfügen würde, sondern auch, weil es früher oder später zum Streit über Fragen wie die Atomkraft oder die Steuerreform kommen würde. ULRIKE BRAUN