Die permanente WM

Noch vor der Sommerpause will die Landesregierung das Ladenschlussgesetz liberalisieren. Dabei rechnet auch der Einzelhandel nicht damit, dass längeres Shoppen die Umsätze steigen lässt

VON ANDREAS WYPUTTA

Einkaufen rund um die Uhr – das wird in Nordrhein-Westfalen nicht nur während der Fußball-Weltmeisterschaft möglich sein: Noch vor der Sommerpause will die Landesregierung das Ladenschlussgesetz liberalisieren. Wie bereits zur WM vom 9. Juni bis zum 9. Juli sollen Einzelhändler dann von Montags bis Samstags rund um die Uhr öffnen dürfen. „Wir werden das Ladenschlussgesetz schnellstmöglich ändern“, so der Sprecher von CDU-Wirtschaftsministerin Christa Thoben, Andreas Kersting, zur taz.

Der Sonntag dagegen bleibt dem christdemokratischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers und seiner Wirtschaftsministerin dagegen heilig – wie bisher dürfen an maximal vier Sonntagen im Jahr Geschäfte gemacht werden. Zur Weltmeisterschaft dagegen gibt sich die Regierungskoalition aus CDU und FDP großzügiger. In den vier Wochen im Schatten von König Fußball können die Läden auch Sonn- und Feiertags öffnen – wenn auch nur von 14 bis 20 Uhr.

Voraussetzung für das Shopping rund um die Uhr ist ein Erfolg der Föderalismusreform: Noch wird der Ladenschluss zentral aus Berlin reguliert. „Wir hoffen, dass diese Gesetzgebungskompetenz des Bundes auf die Länder übergeht“, sagt Thobens Sprecher Kersting. Mit ernsthaften Widerständen rechnet allerdings niemand. Gewerkschaften und Kirchen sprechen vielmehr von einer „Türöffnerfunktion“ der WM nicht nur in NRW.

Unklar bleibt aber, ob Einzelhändler die längeren Öffnungszeiten tatsächlich nutzen. „Ein Abenteuer“ sei selbst die Ausweitung des Angebots zur WM, räumt Thomas Thienen, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands NRW, ein. Trotz des „Jahrhundertereignisses“ und des erwarteten steigenden Konsums vor der Mehrwertsteuererhöhung 2007 rechne der Handel nur mit Umsatzsteigerungen von maximal einem Prozent. „Ohne WM, ohne Steuererhöhung würden wir real ins Minus rutschen“, sagt Thienen. „Öffnungszeiten rund um die Uhr – das wird Ausnahme bleiben.“

Damit sei bereits heute klar, dass die Freigabe des Ladenschlusses keine neuen Jobs schaffe, kritisieren die Gewerkschaften. „Heute wagt niemand mehr, 50.000 und noch mehr Arbeitsplätze zu versprechen wie zu Beginn dieser Deregulierungskampagne“, sagt Gerd Walter vom Landesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi. Wie in anderen Bundesländern werde auch der NRW-Landesvorstand gegen die Liberalisierung klagen. Der verfassungsrechtlich gesicherte Arbeitnehmerschutz sei gefährdet, sagt Walter: „Nachtarbeit belastet ganz besonders.“

Kritik kommt auch von den Kirchen – sie sorgen sich besonders um den Sonntag. „Menschen brauchen gemeinsame soziale Zeit“, schreiben die drei evangelischen Landeskirchen und die fünf katholischen Bistümer NRWs in einer gemeinsamen Erklärung passend zur WM. „Ob Nordrhein-Westfalen als weltoffenes und gastfreundliches Land erfahren wird, hängt mit Sicherheit nicht davon ab, dass an Sonn- und Feiertagen die Läden offen sind.“