„Der Spieler wird aggressiver, kräftiger“

Hormonexperte Bidlingmaier über Doping im Fußball, den ersten Epo-Fall auf dem Rasen und kleinwüchsige Spieler

taz: Herr Bidlingmaier, Doping im Fußball ist nicht so ungewöhnlich, wie die Fifa bisher vorgab?

Martin Bidlingmaier: Im Fußball wird gedopt, keine Frage. Vermutlich nicht so intensiv wie im Radsport. Es gab schon positive Fälle, auch in der Bundesliga. Zum Beispiel wurde Roland Wohlfahrt (VfL Bochum) 1995 positiv auf das Stimulanzmittel Norephedrin getestet. Neben Stimulanzien und Steroiden kommen auch Asthmamittel und Appetitzügler zum Einsatz. Oder Kokain, wie der Fall Maradona zeigte. Gerade ist sogar der erste Epo-Missbrauch im Fußball bekannt geworden.

Ist Doping im Fußball überhaupt effektiv?

Für einen Spieler mit Übergewicht ist die Einnahme eines Appetitzüglers natürlich auf den ersten Blick eine gute Idee. Anabole Steroide können auch von Vorteil sein, der Spieler wird aggressiver, fühlt sich kräftiger. Gerade nach Verletzungspausen, gerade im regenerativen Bereich gibt es ein weites Anwendungsfeld; dasselbe gilt für Wachstumshormon. Auch kann ein Fußballer die Anzahl seiner roten Blutkörperchen erhöhen und damit seine Kondition verbessern, wenn er mit Epo dopt. Der erste Epo-Fall im Fußball war allerdings ein Torhüter, das ist vollkommen idiotisch, aber Doping ist ja per se nicht vernünftig.

Das Argument, dass Doping in bestimmten Sportarten nichts nutzt, ist also Unsinn?

Ja. Zum einen hat die Definition von Doping nichts mit der Nützlichkeit zu tun. Doping ist der Nachweis einer verbotenen Substanz, da muss man nicht diskutieren, ob sie nützt oder nicht nützt. Zum anderen wird Doping oft mit Substanzen betrieben, die nachweislich gar nichts nützen können. Aber das ist kein spezifisches Fußballphänomen, sondern die Sportler wissen in aller Regel zu wenig über die Mittel, die sie einnehmen. Sie informieren sich lediglich bei zwielichtigen Quellen – Ärzte könnten ihn vorher schon sagen, dass gewissen Substanzen nichts bringen. Und zudem Schaden anrichten.

Gibt es vielleicht auch deshalb wenige positive Fälle im Fußball, weil nicht ausreichend kontrolliert wird?

Ich glaube, ja. Gerade die einzelnen Fußballverbände kontrollieren zu wenig.

Dann war ja die Beilegung des Disputs der Fifa mit der Wada ein notwendiger Schritt?

Es ist ja nur logisch, wenn Dopingkontrollen in allen Sportarten einheitlich gehandhabt werden. Wenn man sich international auf ein Reglement einigt, dann sollten sich alle Verbände anschließen. Jede Sportart hat jedoch spezifische Probleme bei der Umsetzung der Wada-Regeln. Beim Fußball als Mannschaftssport stellt sich die Frage: Wen bestrafe ich eigentlich bei einem positiven Dopingtest?

Das ganze Team?

Hier scheint mir die Regelung nicht ganz einheitlich zu sein. Bisher wurden positiv getestete Fußballer gesperrt. Der deutschen Reit-Equipe bei den Olympischen Spielen in Athen wurde aber das Mannschaftsgold aberkannt, weil ein Pferd gedopt war.

Gibt es vielleicht eine Doping-WM?

Ich bin Wissenschaftler, kein Wahrsager: Wahrscheinlich eher nicht. Interessant ist aber der Fall des argentinischen Spielers Lionel Messi. Er ist bereits als Kind mit Wachstumshormon therapiert worden, da er kleinwüchsig ist. Vermutlich bekommt er die Medikamente auch als Erwachsener – somit wäre er also ein Fall für eine therapeutische Ausnahmereglung. Ähnlich wie sie Asthmatiker im Radsport erhalten.

INTERVIEW: JUTTA HEESS