Die Unerwünschten

Die Polizei bereitet sich auf den Besuch gewaltbereiter Hooligans vor. Zwar sind viele bereits erfasst und werden beobachtet – dass es zu Gewalt kommen wird, gilt dennoch als sicher

VON MAURITIUS MUCH

„So nah kommen wir einer WM nie wieder“, freut sich ein Hooligan im Internet-Forum. Für die Gewalttäter aus Polen, Großbritannien, den Niederlanden, der Ukraine oder Kroatien ist die WM in Deutschland leicht zu erreichen. Ein, maximal zwei Grenzen gilt es zu überwinden, schon sind die Schläger in Deutschland. Oder sie sind selbst Gastgeber der WM.

Vor den Hooligans fürchten sich die Sicherheitskräfte. „Wir dürfen uns nichts vormachen“, sagt Konrad Freiberg, Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), der taz. „Hooligans werden kommen und Gewalt anwenden.“

Doch mit wie vielen Gewalttätern rechnen die Sicherheitskräfte bei der WM? Die Zentrale Informationsstelle für Sporteinsätze (ZIS) in Neuss organisiert den Kampf gegen die internationalen Hooligans. Hier werden alle Erkenntnisse über Gewalttäter gesammelt, gespeichert und an die Polizeibehörden des Bundes und der Länder weitergegeben. Zahlen aber wolle er nicht nennen, sagt ZIS-Sprecher Michael Waldhecker. Er warnt vor einer Hooligan-Hysterie.

Knapp tausend Gewalttäter sind in den Niederlanden in einer Datei gespeichert, sagt Gijs de Jong vom holländischen Fußballverband KNVB. „Etwa 150 bis 200 Hooligans könnten zur WM nach Deutschland kommen“, schätzt de Jong. Allerdings sind holländische Hooligans bei Spielen der Nationalmannschaft das letzte Mal 1988 auffällig geworden. Sie prügeln sich, wenn in der heimischen Liga Ajax Amsterdam und Feyenoord Rotterdam gegeneinander spielen.

Rund 3.300 Schläger müssen in England, dem Mutterland der Hooligans, ihre Reisepässe abgeben. 180 von ihnen hätten das bisher noch nicht gemacht, räumte gestern ZIS-Chef Michael Endler ein. Fünf einschlägig bekannte Hooligans befänden sich bereits in Deutschland. Neun weitere wollten in den vergangenen Tagen über die deutsch-tschechische Grenze einreisen. Die Bundespolizei konnte dies aber verhindern.

In Polen gibt es etwa 2.000 bis 2.500 gewaltbereite Fans, sagt Rafal Wasiak, Sprecher der polnischen Nationalpolizei. Doch anders als in den Niederlanden und in Großbritannien sind sie noch in keiner Datei gespeichert, auf die deutsche Behörden zurückgreifen könnten. Bislang haben sich die polnischen Hooligans nur untereinander bekämpft – nicht nur mit den Fäusten: Erst im März wurde ein Fan am Rande des Lokalderbys in Krakau zwischen Wisla und Cracovia erstochen. Nicht der erste Tote in Krakau. GdP-Sprecher Michael Holecek glaubt, dass sich die verfeindeten polnischen Hooligangruppen zur WM verbrüdern.

In Deutschland hat die ZIS etwa 7.000 Personen in der Datei „Gewalttäter Sport“ gespeichert. Viele sind schon als Schläger aufgefallen. Allerdings sind auch einige Personen gespeichert, bei denen nur der Verdacht besteht, sie könnten gewalttätig werden. „Das ist reine Willkür“, ärgert sich Matthias Bettag vom Bündnis aktiver Fußball-Fans (BAFF), das seit 1993 für die Rechte der Anhänger kämpft. 200 potenzielle deutsche Gewalttäter müssen sich während der WM regelmäßig bei der Polizei melden. Etwa 300 gewaltbereiten Fans hat die ZIS für bestimmte Orte Aufenthaltsverbote erteilt. Damit will man verhindern, dass Hooligans in die Nähe der Stadien oder der öffentlichen Fußballübertragungen in den Städten gelangen.

Die zwölf WM-Arenen gelten als sicher vor Hooligans – wegen der personifizierten Eintrittskarten und der umfangreichen Personenkontrollen an den Zugängen. Für weit problematischer hält Konrad Freiberg die großen Fußballübertragungen auf öffentlichen Plätzen. Deshalb fordert er Personen- und Taschenkontrollen an den Zugängen zu diesen Public-Viewing-Veranstaltungen. In den größeren Städten sind solche Sicherheitsvorkehrungen mittlerweile Standard, nicht jedoch auf den Marktplätzen von kleineren Städten.

Fußballfans halten die Hooligan-Gefahr beim Public-Viewing für übertrieben. „Wer sich bollen will, fährt nicht zum Brandenburger Tor und schlägt sich vor 30 mitlaufenden Kameras“, sagt Matthias Bettag von BAFF. Er glaubt, dass sich Hooligangruppen in Wäldern und auf Wiesen abseits der Städte zu Schlägereien treffen. „Die verabreden sich per SMS oder durch E-Mails“, erklärt Bettag. Solche Drittortauseinandersetzungen, wie sie im Polizeijargon heißen, sind schwer zu verhindern: Im November schlugen sich in einem Wald bei Frankfurt (Oder) fünfzig deutsche mit polnischen Hooligans. Die Polizei konnte nur noch die Personalien feststellen.

Gegen Hooligans sieht sich Gastgeber Deutschland gerüstet. Rund 100.000 Polizisten sind im Einsatz, dazu kommen noch 30.000 Kollegen von der Bundespolizei. 15.000 Wachleute von privaten Sicherheitsfirmen schützen die Stadien und die Public-Viewing-Feste vor gewalttätigen Fußballfans.

Bei vier bis fünf Spielen wird Deutschland die Grenzkontrollen zu den EU-Mitgliedsstaaten wieder einführen. Welche Spiele das genau sind, will Michael Waldhecker von der ZIS jedoch nicht sagen. Hooligans sollten nicht im Voraus gewarnt werden. Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) hat zudem angekündigt, Hooligans binnen 24 Stunden vor Gericht zu bringen. In Bayern nimmt die Polizei seit November Speichelproben von Hooligans und wird mobile Scanner für Fingerabdrücke bei der WM einsetzen.

Doch Deutschland holt sich beim Kampf gegen die Hooligans auch Hilfe von außen. Insgesamt 500 Polizisten werden als Verbindungsbeamte bei der ZIS eingesetzt oder auf der Straße Fangruppen aus dem jeweiligen Land begleiten. Allein 50 britische Polizisten werden englische Fans zu den Stadien und den Public-Viewing-Events eskortieren. Die Fans können sich dabei wie zu Hause fühlen: Die Polizisten werden ihre langen schwarzen Bobby-Helme tragen.