dream team (Finale)
: Plädoyer für das Alleingucken

Das Schöne an einer Fußball-Weltmeisterschaft ist, egal ob sie in Deutschland oder Südafrika oder sonst wo stattfindet, dass man sehr zwanglos zusammenkommen kann. Einfach mal so sagen: „Lass uns doch mal zusammen zum Fußball gehen“ macht zwar keinen Sinn, da hätte es eine entsprechende Vorbereitung gebraucht (mit ungewissem Ausgang); aber „Lass uns doch mal zusammen Fußball gucken“ ist schnell dahingesagt und schnell in die Tat umgesetzt – gerade unter losen Bekannten. Oder unter Leuten, die sich sympathisch sind, aber genug Freunde haben; die wegen zu vieler Termine unter Zeitmangel leiden; oder die einfach nicht wissen, ob die Sympathie (und der Gesprächsstoff) dann über einen Dreistundendate in der Kneipe anhält. Fußballgucken vereint, selbst wenn man nicht so viel zu reden hat.

Unschön wird es nur, wenn man wirklich Fußball gucken will, wenn man sich wirklich konzentriert dem Spielgeschehen zuwenden will. Das geht nur allein, da ist jeder Schlaumeierkommentar ein Kommentar zu viel. Und wie bin ich gerade zu Zeiten des Studiums in Männerrunden malträtiert worden mit Fußballschlaumeiergerede! Niemand wollte sich eine Blöße geben, und wenn doch, hieß es: Warum sagst du nichts?

Insofern soll das hier jetzt ein Lob auf das streng einsame Gucken von Fußball vor dem häuslichen Fernsehschirm sein. Es gibt nichts Schöneres, als ein Fußballspiel ohne Gesprächswiderpart anzuschauen, nichts Schöneres, als die Fragwürdigkeit eines Elfmeterpfiffes mit niemand diskutieren zu müssen, und es gibt gerade auch nichts Schöneres, als sich ein unendlich langweiliges Fußballspiel allein zu Gemüte zu führen. Gerade in diesem Fall, wenn die Aufregung sich in Grenzen hält, kann man sich innerlich vollständig entleeren. Nichts anderes zählt mehr als das grüne Feld auf dem Schirm, die 22 sich mühenden Fußballspieler, die Hoffnung, dass es irgendwann doch noch einen schönen Spielzug gibt. Wenn aber nicht, ist auch egal, wenn nicht gar besser, da sage jetzt keiner: Das ist Zeitvernichtung!

Nein, die Welt draußen kann einen dann mal. So ein schlechtes Fußballspiel, das ist großer, lebensrettender, kopffreimachender, nichts anderem als der Kontemplation dienender Stillstand. Dass dieser Zustand nicht im Stadion, nicht vor irgendeiner Leinwand in der Stadt, nicht in der Kneipe und nicht mit ein paar Leuten zu Hause erreicht wird, versteht sich von selbst. Verabreden kann man sich, wenn man wirklich kommunizieren will. GERRIT BARTELS