Auf die schmutzigen Hände schauen

Im Fall BND-Bewachung von und durch Journalisten macht sich Schweigen breit – weil der großen Koalition nicht an Aufklärung gelegen ist?

„Unseren gesetzlichen Auftrag erfüllen wir professionell und kompetent; wir sind selbstkritisch und stellen uns der Kontrolle durch die dafür vorgesehenen Gremien. Mit dem Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel gehen wir verantwortungsbewusst um und wahren den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.“ – So idealtypisch präsentiert sich der Bundesnachrichtendienst (BND) auf seiner eigenen Homepage. Seit Veröffentlichung des Schäfer-Berichts weiß man, was davon zu halten ist.

Doch ist die BND-Affäre wirklich der schlimmste Skandal seit der Spiegel-Affäre 1962, wie es der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) jüngst bei einer Diskussionsveranstaltung des Vereins Berliner Journalisten wiederholte?

Der Auslandsgeheimdienst hatte über mehrere Jahre Journalisten bespitzelt, um undichte Stellen in den eigenen Reihen aufzuspüren. Dabei hatten auch Journalisten und Nachrichtenhändler im BND-Auftrag ihre eigenen Kollegen ausgespäht.

„Ich würde das nicht auf die ganz große Stufe stellen“, warnte Hans Leyendecker von der Süddeutschen Zeitung, der schon zu seiner Spiegel-Zeit ins Visier des BND geriet. Auch in den Redaktionen würde der „Mythos BND“ überbetont: „Wenn jemand sagt, ich hab das aus dem BND, gibt es bewundernde Blicke. Dabei ist das auch nichts anderes, als wenn ich sage, ich hab das aus der FDP.“

Und absurderweise lässt das Interesse an wirklicher Aufklärung schon wieder nach. Zum einen aus klarem politischem Kalkül: Die große Koalition hat logischerweise weder Interesse an der Aufklärung der Fälle von Anfang bis Mitte der 1990er-Jahre, die unter CDU-Verantwortung fallen – noch an der Folgezeit ab 1998, für die dann der Geheimdienstkoordinator auf SPD-Ticket im Kanzleramt verantwortlich zeichnet. Und so wird das auch laut Christian Ströbele weitergehen. Der grüne Bundestagsabgeordnete sitzt im Parlamentarischen Kontrollgremium, das die Geheimdienste überwacht: „Selbst wenn die SPD in die Bredouille kommen könnte, wird die andere Seite Beißhemmungen haben, solange die große Koaltion halten muss.“

Auch die Rolle der Journalisten mit Nebenjob als BND-Zuträger, die dem Berufsstand sein schlechtestes Image seit Jahrzehnten aufdrückt, ist den Medien oft nur dürre Zeilen wert. Für Leyendecker eine Folge von Allianzen vor allem in der Presse, die einen ähnlichen Mehltau-Effekt habe wie die große Koalition in der Politik: „Die erste Titelgeschichte zum BND im Spiegel war nicht super, aber insgesamt ganz okay“, so der Ex-Spiegel-Mann. Aber schon im Heft danach habe das Thema dann nur noch auf knapp mehr als einer Seite stattgefunden. Dass man beim Spiegel „die Zähne aus dem Maul genommen hat, um sich nicht mit Focus anzulegen“, hat auch Andreas Förster von der Berliner Zeitung verblüfft. Er gehört wie Leyendecker zu den Bespitzelten, bei Focus waren drei der BND-Zuträger beschäftigt. Sie spähten auch ihren eigenen Kollegen Josef Hufelschulte aus, auf dessen Antrag die ihn betreffenden Seiten des Schäfer-Berichts weiß blieben. „Wenn am Freitag ein Papier mit leeren Seiten kommt, ist das doch das Beste, was einem Montagsmagazin passieren kann“, so Leyendecker. Früher fand sich die Geschichte dann tatsächlich oft im Spiegel. Und heute? – „Es kann doch nicht sein, dass der Spiegel so was nicht mehr kann“, sagt Leyendecker, „aber woran liegt’s?“

Zumindest ein Teil der Antwort dürfte in der Grauzone liegen, in der sich auch die bewegen, die über und in Geheimdiensten recherchieren. Man werde in diesem Bereich nicht mit ganz sauberen Händen arbeiten können, so Leyendecker: „Aber es müssen auch keine ganz Schmutzigen sein.“