Do Warszawy – auf nach Warschau

Am Samstag um 13 Uhr beginnt in Berlins Partnerstadt die „Gleichheitsparade“ der Lesben und Schwulen. Erstmals seit zwei Jahren ist die Demo genehmigt. Neun BerlinerInnen erklären, warum sie für die Rechte der Homosexuellen in Polen eintreten

Lebensfrohe Parade

Ich finde es gut, dass die Parade diesmal auch in Warschau stattfinden kann. Ich wünsche den Veranstaltern eine friedliche Veranstaltung. Es ist wichtig, dass man all jenen, die Ressentiments und Intoleranz schüren, mit einer kreativen und lebensfrohen Parade entgegentritt. Liberalität und Toleranz müssen gelebt werden können, dazu braucht es die öffentliche Demonstration. Eine liberale, offene und demokratische Gesellschaft kann nur existieren, wenn unterschiedliche Lebensweisen akzeptiert werden. Aus eigener Erfahrung wissen wir, dass die bei uns erreichte Qualität demokratischer Kultur in einem langen Prozess durchgesetzt und immer wieder erneuert werden muss. Klaus Wowereit

Der Autor ist Regierender Bürgermeister von Berlin und erregte mit seinem Outing vor genau fünf Jahren Aufsehen

Gesicht zeigen

Ich fahre nach Warschau, um mein Gesicht und meinen Namen herzuzeigen für die Sichtbarmachung von lesbischem Leben in einem Land, wo dies verpönt und verhasst ist. Auch wenn mir nicht ganz wohl dabei ist, unter Umständen gewaltsam attackiert zu werden. Hierzulande meckern wir über die CSDs als unpolitische Party, dann muss man konsequenterweise auch mal Flagge dort zeigen, wo es nicht um Sekttrinken und Gutaussehen geht. Schließlich war Stonewall auch eine Straßenschlacht – das tut uns verwöhnten Westlern sicher ganz gut. Manuela Kay

Die Autorin ist Chefredakteurin des Lesbenmagazins „L-Mag“

CDU liegt vorne

Es war auch in Deutschland ein langer Weg, bis Homosexualität nicht mehr diskriminiert wurde. Es sind immer einige Mutige, die vorangehen und gesellschaftliche Freiheiten erkämpfen müssen. Dafür wünsche ich den Polen alles Gute. Sie werden auch unterstützt von einem Dutzend Mitgliedern der Lesben und Schwulen in der Union, sicher mehr als von jeder anderen Partei. Sascha Steuer

Der Autor ist Abgeordneter der CDU-Fraktion

Ein weiter Weg

Es scheint ein weiter Weg zu sein, bis Lesben und Schwule in Warschau und Moskau, in Krakau und Minsk wenigstens von der offiziellen Politik und der Polizei vor Diskriminierung und Gewalt geschützt werden. Von den Kirchen ganz zu schweigen. Deswegen ist es gut, wenn viele gemeinsam mit Lesben und Schwulen aus Moskau und Warschau für Respekt und Anerkennung demonstrieren, egal übrigens ob mit oder ohne Genehmigung durch offizielle Stellen.

Weil es sich hier aber nicht um eine „Homofrage“, sondern um Menschenrechte handelt, ist die Sache damit nicht erledigt. Wir erwarten von allen, die Verantwortung tragen – in der Politik, bei den Gewerkschaften, in Verbänden und nicht zuletzt bei den Kirchen –, dass sie mit allen ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten deutlich machen: Teil eines modernen und demokratischen Europas kann nur sein, wer die universellen Menschenrechte akzeptiert.

Sibyll Klotz

Die Autorin ist Fraktionsvorsitzende der Grünen

Der Herr schaut zu

Die Gleichheit ist die Tugend einer Zivilgesellschaft. Wenn man in Deutschland lebt, in einem Land, das durch seine Erfahrungen seine zivile Geburt fast täglich wiederholen muss, denke ich mit einer gewissen Freude daran, wenn in meinem Land, mit einer christlichen Regierung an der Macht, die Paraden wieder aktiviert werden. Von meiner Kindheit an kenne ich die bunten 1.-Mai-Straßenzüge. Damals ging es auch um die Gleichheit der Nation. Später kamen die Solidarność-Demos. Dass die Haltung der neuen Regierung in Warschau die Menschen wieder auf die Straßen bringt, soll zum Alltag der Demokratie gehören. Vielleicht muss man dann nicht mit einem Kniefall die Geschichte neu schreiben in einem Land, in dem das Volk sowieso viel zu viel Zeit auf den Knien verbringt. Dass die Schwulen, Lesben und ihre Weggefährten in Polen ihr Haupt erheben, wird bestimmt auch vom lieben Gott mit Neugier betrachtet, da sie auch zu seinem Inventar der Schöpfungsgeschichte gehören. Auf nach Warschau! Der Herr schaut zu. Kornel Miglus

Der Autor ist Filmemacher und arbeitet am Polnischen Institut

Gegen Populisten

1981 war es die Verkehrsblockade der Solidarność-Anhänger an der Jerozolimskie- Ecke Marszałkowska-Straße. Ich stieß zufällig auf diese Protestaktion und schloss mich an – aus Solidarität. Dieses Mal fahre ich zur Gleichheitsparade in Warschau als Vertreterin der DPG Brandenburg. Aus Solidarität mit Lesben, Schwulen, Frauenrechtlerinnen, Grünen und allen anderen, die zu dieser Demonstration aufgerufen haben. Es ist höchste Zeit, dass sich auch das deutsch-polnische Beziehungsmilieu outet. Was sich heute in Polen abspielt, heißt es oft, müsse man doch verstehen. Nein. Nicht die Politik der Kaczyński-Brüder gegen Lesben und Schwule, nicht die Berufung eines Rechtsradikalen wie Roman Giertych zum Bildungsminister, nicht die Ernennung eines unberechenbaren Populisten wie Andrzej Lepper zum Landwirtschaftsminister.

Ruth Henning

Die Autorin ist Geschäftsführerin der Deutsch-Polnischen Gesellschaft Brandenburg

Kaum zu glauben

Was zurzeit in Polen passiert, ist eigentlich kaum zu glauben: Der Präsident eines demokratischen Landes hetzt öffentlich gegen Schwule und Lesben und hat in den letzten beiden Jahren ihre Demonstrationen verboten. Und der Vizevorsitzende der Regierungspartei Liga polnischer Familien ruft in einer Zeitung zu Gewalt auf. Wie sollte man angesichts der Verletzungen von Menschenrechten zu Hause bleiben? Ich könnte jedenfalls nicht mehr ruhigen Gewissens mit dem Berliner CSD über den Ku’damm tanzen. Die polnischen Schwulen und Lesben und alle Demokraten in Polen brauchen Unterstützung. Wer, wenn nicht wir? Holger Wicht

Der Autor ist Chefredakteur des Schwulenmagazins „Siegessäule“

Nicht schweigen

Vor drei Jahren war ich mit Berliner Grünen beim Warschauer CSD. Es war eine richtige kleine Parade mit Wagen, bunter Szene und sehr viel Aufbruchstimmung. Eine kleine Truppe rechter Schreihälse hatte dagegen keine Chance. Damals dachten wir, das entwickelt sich positiv. Seither ging es in Polen für Lesben und Schwule, aber auch für die Menschen- und Bürgerrechte insgesamt permanent bergab. Das Land wird von einer extremen Rechten regiert. Gegen Lesben und Schwule wird eine Pogromstimmung geschürt. Wenn der stellvertretende polnische Bildungsminister Wierzejski dazu aufruft, wir sollten die Knüppel schmecken und dies gelte auch für deutsche Politiker, denn das seien auch nur Schwule und Schwule seien feige, motiviert mich das erst recht, nach Warschau zu fahren. Zu solchen Äußerungen darf Europa nicht schweigen. Thomas Birk

Der Autor ist lesben- u. schwulenpolitischer Sprecher der Grünen

Nicht hinnehmen

Nach den eigenen Vorstellungen zu leben, solange die Rechte anderer gewahrt sind, gilt als universelles Menschenrecht – auch für Lesben, Schwule und Transgender. Das ist aber noch nicht einmal in Deutschland so lange selbstverständlich. Erst jüngst wurde auf der Demo von Schwulen in Moskau sichtbar, wie wenig das Menschenrecht auf sexuelle Selbstbestimmung heute universell ist. Und im Polen des 21. Jahrhunderts gilt, nimmt man Äußerungen aus der dortigen politischen Klasse ernst, Schwulsein als gefährliche Todsünde. Und ist deshalb für Schwule gefährlich. Das darf nicht hingenommen werden. Klaus Lederer

Der Autor ist Landesvorsitzender der Linkspartei.PDS

Fotos: AP, Grüne, PDS, Privat (6)