Rassismus rund um den Ball

Spieler, Fans und Funktionäre wissen: Rassistische Übergriffe gehören vor allem in unteren Ligen zum Alltag. Fußballverband kündigt bei einer Podiumsdiskussion Sanktionen für betroffene Vereine an

VON BLAS URIOSTE

„Ich mache mir Sorgen, dass sich die Geschichte wiederholen wird“, sagt Adebowale Ogungbure. Der Spieler des FC Sachsen Leipzig wurde Ende März in Halle Opfer eines rassistischen Übergriffs. Bei einem Oberliga-Match war er von einem gegnerischen Spieler als „Bimbo“ beschimpft worden. Später wurde der Nigerianer von Hooligans angegriffen. Weil Ogungbure mit dem Hitlergruß auf die Beleidigungen regierte, bekam er gar eine Anzeige von der Polizei.

Die Heinrich-Böll-Stiftung hat den Spieler daher am Dienstagabend zu einer Diskussion über „Fairplay im Stadion – Rassismus auf den Rängen“ in ihre Räume am Hackeschen Markt geladen. Dort erzählt Ogungbure, dass er trotz der Übergriffe in Leipzig bleiben will. Er plant ein Netzwerk mit betroffenen Spielern – Nationalspieler Gerald Asamoah und andere Kollegen hat er schon kontaktiert. Auf dem Podium gewinnt er die Unterstützung von Navina Omilade. Die deutsche Nationalspielerin hat zwar in Potsdam, wo sie bei Turbine kickt, noch keinen Rassismus erlebt. „Aber Frauenfußball hat ein anderes Zielpublikum“, sagt sie. „Rassisten verstecken sich gerne in der Masse. Das ist beim Männerfußball einfacher.“

Das sehen die anderen Podiumsgäste ähnlich. Rassismus sei ein Problem des Männerfußballs. Das wird zum Glück nicht einmal mehr von Funktionären bestritten. Im Gegenteil kündigt Bernd Schulz, der Präsident des Berliner Fußballverbandes, während der Diskussion an, dass auf Initiative des Weltfußballverbandes Fifa ab Herbst auch in Deutschland strengere Regeln gelten werden. Dann droht Fußballteams sogar ein Punktabzug, wenn es im Stadion zu rassistischen Ausfällen kommt.

Die sind derzeit insbesondere in den unteren Ligen alltäglich. Wo die Medien nicht präsent sind und die Vereine ein Auge zudrücken, komme es immer wieder zu rassistischen Verhaltensweisen, berichtet Bernd Schulz genauso wie Martin Endemann, der Sprecher des linksgerichteten Bündnisses Aktiver Fußballfans. Übergriffe gebe es keineswegs nur im Osten, sagt Mehmet Koç. „Auch in Marienfelde ist uns so etwas passiert“, berichtet der Funktionär des Kreuzberger Vereins KSF Umutspot. Trotz der Fifa-Initiative würden sich „die Verbände schwer mit dem Thema tun“, klagt Koç. So sitzt erst seit kurzem ein Vertreter der Migrantenvereine im Vorstand des Berliner Fußballverbands.

Damit ist er fortschrittlicher als Teile seiner Basis. „Viele Menschen empfinden rassistische Beleidigungen im Fußball als normal“, sagt Sabine Behn. Sie hat eine Studie über „Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball“ erstellt. Darin hat sie zwar einen Rückgang des sicht- und hörbaren Rassismus in der Bundesliga feststellt. Aber „ob das mit einer Veränderung der Einstellungen zu tun hat, kann man nicht mit Gewissheit behaupten“, sagt Behn. Im Gegenteil würden rassistische Verhaltensweisen in die Umgebung der Stadien verlagert, wo die Kontrollen nicht so streng sind.

In den unteren Ligen haben rassistische Fans offenbar nicht einmal in den Stadien Repressalien zu fürchten. Als Leipziger Fans ihren Spieler Ade Ogungbure mit der Aktion „Wir sind Ade“ unterstützt hatten, konterten Anhänger von Energie Cottbus mit dem Transparentspruch „Wir sind weiß“. Reagiert habe darauf niemand, ärgert sich Fanaktivist Endemann. Verbandspräsident Schulz kennt solche Geschichten: „Ein Problem ist, dass alles, was nicht auf dem Schiedsrichterbericht steht, offiziell nicht passiert ist.“ Künftig würden daher die Spielbeobachter dazu verpflichtet, solche Vorkommnisse aufzuschreiben. Das sei dann die Grundlage für mögliche Sanktionen.