Öffentliche Milliarden für Pharmafirmen

G-8-Regierungen beraten Pilotprojekt, um Impfstoffe gegen Malaria und Tuberkulose entwickeln zu lassen

BERLIN taz ■ Zwei Millionen Menschen weltweit sterben jedes Jahr an Tuberkulose und 1,5 Millionen an Malaria – vor allem in Entwicklungsländern. Ein Grund dafür ist, dass wirksame und billige Impfstoffe den Einwohnern vieler Staaten Afrikas, Asiens und Lateinamerikas nicht zur Verfügung stehen. Das zu ändern könnten am Wochenende die Finanzminister der wichtigsten Industrieländer des Nordens (G 8) beschließen.

Bei ihrer Tagung im russischen St. Petersburg diskutieren sie über ein mehrere Milliarden Dollar teures Pilotprojekt, das erstmals eine staatliche Abnahmegarantie für privatwirtschaftlich entwickelte Impfstoffe beinhaltet. Der Plan sieht so aus: Die G-8-Regierungen sichern den Arzneimittelkonzernen zu, ihnen beispielsweise 50 Millionen Impfrationen zu einem Festpreis abzukaufen. Weil die Unternehmen deshalb sicher sein können, mindestens ihre Kosten wieder hereinzuholen, entwickeln sie neue Tuberkulose- und Malaria-Impfstoffe. Die Forschung auf diesem Gebiet kommt heute auch deshalb nicht voran, weil die Konzerne ihre möglichen Gewinne in den armen Ländern als zu gering einschätzen.

Die Initiative steht im Rahmen der Millennium-Ziele der Vereinten Nationen, die UN-Generalsekretär Kofi Annan initiiert hat. Demnach wollen die Vereinten Nationen die Armut bis 2015 halbieren und die Sterberate in Entwicklungsländern reduzieren.

Vor allem Italien und Großbritannien treiben das Impfprojekt voran. Mit Glaxo SmithKline sitzt einer der wichtigsten Impfstoffhersteller und Hauptprofiteure in Großbritannien. Dies mag ein Grund dafür sein, dass sich die Bundesregierung zurückhaltend gibt. „Es sind noch viele Fragen offen“, heißt es beim Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Weder sei klar, welche Summen benötigt würden, noch könne man sich bislang auf eine Krankheit einigen. Nach Informationen deutscher Regierungskreise befürwortet die russische Regierung ein Impfprogramm gegen Pneumokokken, die Lungenentzündung verursachen. Nach Angaben des Bundesfinanzministeriums würde ein Pneumokokken-Projekt rund 1,5 Milliarden Euro kosten, die Entwicklung eines Impfstoffes gegen Malaria 2,3 und gegen Tuberkulose 0,8 Milliarden Euro. Das Bundesgesundheitsministerium befürwortet die Konzentration auf Tuberkulose.

Christian Wagner von der Entwicklungsorganisation Buko begrüßt zwar „das öffentliche Engagement“, kritisiert aber die unnötige „Finanzspritze für die Pharmaindustrie“. Eine billigere Lösung wäre es, so Wagner, wenn öffentliche Forschungsinstitute die Impfstoffe entwickelten.

Die Entwicklungsorganisation Oxfam forderte die Bundesregierung anlässlich des G-8-Finanzministertreffens auf, mehr Geld für die Entwicklungshilfe zur Verfügung zu stellen. Der Haushalt des Ministeriums sei 2006 bereits um 300 Millionen Euro angehoben worden, erklärte dazu das BMZ.

HANNES KOCH

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