Na dann, Gesundheit!

Ein Fondsmodell soll die Einnahmen der gesetzlichen Krankenkassen stabilisieren. Das verspricht vor allem Bürokratie

von ANNA LEHMANN

Nun ist der Deckel auf dem Topf, dem Gesundheitstopf, auch Fonds oder Pool genannt. Nach einem spätabendlichen Spitzentreffen der Fraktions- und Parteigranden von Union und SPD trat Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) gestern vor die Öffentlichkeit und sagte – nichts Gegenteiliges. CSU-Fraktionschef Wolfgang Zöller, der mit Schmidt zusammen der Runde von 16 Fachpolitikern vorsteht, die gerade das größte Projekt der großen Koalition beraten, bestätigte indirekt, dass sich die Partner auf den Gesundheitstopf als zentrales Element der Reform geeinigt haben: „Es geht nicht darum, wer dafür oder dagegen ist, sondern wie er ausgestaltet wird.“

Das bleibt ein großes Geheimnis. Denn Einzelheiten wollten weder Schmidt noch Zöller noch die ebenfalls zum Schweigen angetretene stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Elke Ferner kundtun. Einig sind sich die Koalitionspolitiker darin, dass die gesetzliche Krankenversicherung zusätzlichen finanziellen Beistand braucht, da die Einnahmen schrumpfen und die Ausgaben steigen. Die Bürgerversicherungsfans in der SPD wollen Beitragszahler von den privaten Krankenversicherungen abziehen und auch Einkommen aus Aktien und Zinsen anzapfen. Die anderen – in erster Linie Unionspolitiker – möchten, dass jeder gesetzlich Versicherte, ob mit oder ohne Arbeit, einen festen Betrag zahlt, die so genannte Kopfpauschale. Die beiden Konzepte standen sich unversöhnlich gegenüber.

Dann kramte Unions-Fraktionschef Volker Kauder das Fondsmodell hervor, als Kompromiss zwischen Bürgerversicherung und Kopfpauschale. Es funktioniert wie eine gigantische staatliche Inkassostelle. Sie treibt Geld ein, gibt Gutscheine aus und verwaltet 70 Millionen Konten – für jeden gesetzlich Versicherten eines.

Für die Bürger bedeutet das, dass sie künftig dreimal für ihre Gesundheit zahlen. Einmal als Versicherte, nur dass die Beiträge nicht mehr direkt an die Krankenkasse gehen, sondern in den Fonds eingezahlt werden. Zum Zweiten als Steuerzahler, denn zusätzlich zu den Beiträgen sollen auch Steuermittel in den Topf fließen. Und wenn sie Pech haben, dann müssen sie drittens noch eine extra Prämie an ihre Krankenkasse überweisen, wenn diese mit dem Budget nicht auskommt. Auch die Arbeitgeber sollen in den Fonds einzahlen, doch bei weitem nicht so viel wie die Versicherten. Nach Informationen des Handelsblatts soll der Arbeitgeberbeitrag bei rund 6 Prozent des Bruttolohns eingefroren werden.

Das Geld aus diesem Topf wird an die Krankenkassen umverteilt. Und zwar über die Versicherten, die vom Fondsmanager – wer immer das sein wird – Gutscheine über 150 bis 170 Euro erhalten. Das entspricht den durchschnittlichen Gesundheitskosten pro Patient. Den Schein lösen die Bürger bei einer Krankenkasse ihrer Wahl ein. Offen ist, ob auch die privaten Krankenversicherungen (PKV) den Gutschein des alkoholabhängigen arbeitslosen Diabetikers nehmen müssen oder sich wie bisher ihre Kunden nach Gesundheitszustand herauspicken dürfen. Nichts fürchten die privaten Kassen mehr als die Aufgabe dieses Privilegs, weshalb der Direktor des Verbands der privaten Krankenversicherer, Volker Leienbach, auch gegen den Fonds wettert: „Eine Fondslösung unter Einbezug der PKV bedeutete die Einführung der Bürgerversicherung.“

Aber auch Streiter für die Bürgerversicherung, wie der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach, sind nicht glücklich mit dem Fonds. Lauterbach fordert, dass die Entscheidung darüber vertagt wird. In seltener Eintracht befindet sich der SPD-Linke in seiner ablehnenden Haltung mit dem CSU-Fraktionsvorsitzenden im Bayerischen Landtag, Joachim Herrmann, und der bayerischen CSU-Sozialministerin, Christa Stewens.

Die Richtung der Kritik ist grundverschieden – die Linken fürchten, dass die Prämie vor allem Kranke und Alte zahlen müssen, und für die Konservativen birgt das Fondsmodell zu viel Staatsmedizin und zu wenig Eigenbeteiligung.

Doch eine gemeinsame Frage bleibt: Was bringt der Fonds? Und auf diese konnte bisher niemand eine zufrieden stellende Antwort geben. Zu viele Details sind außerdem ungeklärt, einschließlich der Frage, ob es überhaupt zusätzliche Steuermittel für diesen Fonds geben wird. SPD-Chef Kurt Beck sagt nein, Gesundheitsministerin Schmidt sagt: „Wir reden über alles.“ Doch hat beider Parteikollege Peer Steinbrück als Finanzminister bereits kundgetan, dass er bis 2008 keinen Euro Zuschuss mehr an die gesetzliche Krankenversicherung zahlen wird.

Bis Anfang Juli wollen die Koalitionspartner die Eckpunkte der Gesundheitsreform festgelegt haben, eigentlich sollte sie ab 2007 in Kraft treten. Schmidt kündigt schon mal den Kompromiss zum Gesundheitsfonds an: „Wir werden notfalls Übergangslösungen finden.“