Ein Selbstmord ist kein Attentat
: KOMMENTAR VON CHRISTIAN RATH

Das US-Militär macht es sich mal wieder einfach. Die drei Selbstmordfälle von Guantánamo seien kein Akt der Verzweiflung, sondern ein „Akt der Kriegsführung“, sagte Lagerkommandant Harry Harris.

Natürlich liegt es nahe, dass die drei Selbstmorde nicht zufällig zur gleichen Zeit stattfanden. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass hier ein gemeinsames Fanal gesetzt werden sollte. Möglicherweise haben die drei sogar Helfer gehabt, die die Wachen ablenkten. Alle vorherigen Suizidversuche im US-Gefangenenlager auf Kuba waren rechtzeitig entdeckt worden.

Näheren Aufschluss über die Ziele der Aktion könnten die Abschiedsbriefe der Selbstmörder geben – aber die halten die Vereinigten Staaten bisher unter Verschluss. Belastbare Bewertungen sind deshalb noch nicht möglich. Es könnte aber durchaus sein, dass es sich bei den Selbstmorden um eine Reaktion auf den Tod des Terroristen al-Sarkawi im Irak handelte – und damit um eine Solidaritätsadresse an al-Qaida.

Doch auch dann bleibt festzuhalten: Ein Selbstmord ist kein Selbstmordattentat. Es ist nicht verboten, das eigene Leben für einen Akt der psychologischen Kriegsführung einzusetzen – wenn dabei kein anderer Mensch zu Schaden kommt.

Vielleicht sollten die Selbstmorde aber auch wirklich auf die Zustände in Guantánamo hinweisen. Immerhin hatten die drei Toten auch schon wiederholt an Hungerstreiks teilgenommen. Doch hierüber brauchen sich die USA nun wirklich nicht zu beschweren. Wer ein Lager jenseits der eigenen rechtsstaatlichen Garantien und auch jenseits der völkerrechtlichen Verträge aufbaut, darf sich nicht wundern, wenn die Insassen immer wieder versuchen, die Welt hieran zu erinnern.

Nach wie vor gilt die Forderung: Alle Guantánamo-Insassen, denen die USA terroristische Verstrickungen vorwerfen, müssen ordentliche Gerichtsverfahren bekommen. Und alle anderen müssen sofort entlassen werden. Unter Sicherheitsaspekten ist das durchaus verantwortbar. Schließlich erzeugt die US-Armee mit jedem Massaker wie im irakischen Haditha mehr kampfbereite Gegner, als derzeit Menschen in Guantánamo einsitzen.