Berliner Spitzelvorwürfe sollen vor Ausschuss

Grüne und Linkspartei verlangen Aufklärung: Wurde der linke Politologe Grottian vom Verfassungsschutz beobachtet?

Die mutmaßliche Bespitzelung des linken Politik-Professors Peter Grottian und des Berliner Sozialforums durch den Verfassungsschutz hat ein parlamentarisches Nachspiel. Im Zentrum der Kritik: Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD). Volker Ratzmann (Grüne), innenpolitischer Sprecher im Abgeordnetenhaus, kündigte an, dass er dieses Thema auf die Tagesordnung des Verfassungsschutzausschusses setzen werde. „Wir wollen genau wissen, ob Herr Grottian oder das Sozialforum tatsächlich direkte Beobachtungsobjekte des Verfassungsschutzes waren“, sagte Ratzmann.

Der Spiegel hatte am Wochenende berichtet, dass nicht nur die Berliner Bespitzelungsbehörde, sondern auch das Bundesamt für Verfassungsschutz den linken Professor an der Freien Universität jahrelang durch mindestens zwei V-Leute beobachten ließ. Grottian ist Gründungsmitglied des Berliner Sozialforums, eines außerparlamentarischen Bündnisses aus zahlreichen linken Gruppen, das besonders 2004 bei den Protesten gegen die umstrittenen Hartz-IV-Gesetze aktiv war. Die Online-Zeitung Berliner Umschau berichtet, dass die Bespitzelung zumindest von der Berliner Behörde auch eingeräumt wird. Dabei sei es allerdings nicht um den Professor selbst gegangen, sagte Verfassungsschutzsprecher Claus Guggenberger dem Online-Dienst. Vielmehr hätten bei dem Forum „gewaltbereite Autonome“ mitgearbeitet. Es gäbe also eine „linksextremistische Einflussnahme“.

Uschi Volz-Walk, ebenfalls Mitglied beim Berliner Sozialforum, nannte die Vorwürfe „absurd“. Das Sozialforum sei von Anfang ein offenes Plenum gewesen. „Alles, was besprochen wird, kann auf der Webseite nachgelesen werden“, sagte Volz-Walk.

Grottian selbst glaubt nicht, dass Körting die Bespitzelung angeordnet hat. Eher sei ein Fall von „Selbstdynamisierung“ eines Geheimdienstes zu vermuten. Dienste wie den Verfassungsschutz bezeichnete er als „strukturell reformunfähig“, die deshalb abgeschafft gehörten.

Überrascht über die Spitzelaffäre zeigte sich Körtings Koalitionspartner, die Linkspartei. „Der Verdacht liegt nahe, dass der Berliner Verfassungsschutz Grenzen überschritten hat“, sagte ihr Vorsitzender Klaus Lederer. Eine Mitverantwortung wies er jedoch zurück. „Geheimdienste zeichnen sich nun mal dadurch aus, dass sie geheim wirken und nie vollkommen demokratisch kontrolliert werden können“, rechtfertigte sich der Linkspartei-Politiker. Da gebe es selbst für Regierungspartner Grenzen. Er wies auf die dunkle Vergangenheit des Berliner Verfassungsschutzes hin, die bis hin zur Bespitzelung von SPD-Innensenatoren reichte. „Sollte sich herausstellen, dass das Sozialforum und sein Protagonist Peter Grottian beobachtet worden sind, wäre das ein Beleg dafür, wie hartnäckig sich alte Feindbilder auch in einem reformierten Verfassungsschutz halten.“

Bei Regierungsantritt vor fünf Jahren hatte sich die Linkspartei zum Ziel gesetzt, die Abteilung für Verfassungsschutz auf ihr Kerngeschäft zu beschränken. Damals und heute nennt sie es „Politikberatung“. FELIX LEE