Kritische Aufarbeitung der Genossen

Der Parteivorstand der Linkspartei.PDS fasst einen Beschluss über den Umgang mit der DDR-Geschichte. Es geht dabei auch um ehemalige Stasifunktionäre, die die Vergangenheit für sich vereinnahmen wollen

„Es ist ganz wichtig, sich von Versuchen zu distanzieren, Unrecht zu relativieren“

AUS BERLINBARBARA BOLLWAHN

Geschlossener als geschlossen war die gestrige Sitzung des Bundesvorstandes der Linkspartei. Gemeint sind nicht die Reihen der Genossen, sondern die Türen. Die zwanzigköpfige Spitze der Linkspartei blieb im Karl-Liebknecht-Haus unter sich, als es unter anderem um die Aufarbeitung der DDR-Geschichte und das heikle Verhältnis zu einer ganz bestimmten Wählerklientel ging: zu Stasi-Offizieren und anderen ehemaligen Funktionären, die sich in Vereinen wie der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“ (GRH) zusammengeschlossen haben und die DDR-Geschichte für sich reklamieren, verfälschen oder verharmlosen.

In letzter Zeit sind Mitglieder des Vereins, der sich 1993 gegründet hat, verstärkt auf Veranstaltungen und mit Buchvorstellungen in der Öffentlichkeit aufgetreten, um gegen „Geschichtsklitterung“ und „die Diffamierung der DDR“ zu wettern (taz vom 27. 5. 06).

Im März haben Vertreter des nach eigenen Angaben 1.300 Mitglieder zählenden Vereins im Zusammenhang mit der ehemaligen Stasi-Untersuchungshaftanstalt Hohenschönhausen im Bezirk Lichtenberg anwesende Opfer als Kriminelle bezeichnet und das Stasigefängnis eine ganz normale Untersuchungshaftanstalt genannt. Der anwesende Berliner Kultursenator Thomas Flierl von der Linkspartei schwieg, als die alten Kader wieder auferstanden.

In Lichtenberg stellt die Linkspartei die Bürgermeisterin und ist sie die stärkste Fraktion. Auf einer öffentlichen Bezirksverordnetenversammlung Ende April, auf der über die Gedenktafeln für das ehemalige Stasigefängnis und die Verwendung der Bezeichnung kommunistische Diktatur diskutiert wurde, hatten sechs Abgeordnete der Partei ein Mitglied der „Gesellschaft zur rechtlichen und humanitären Unterstützung“ (GRH) auf die Rednerliste gesetzt und für einen Eklat gesorgt. Der Verfassungsschutz in Berlin und Brandenburg überlegt derzeit eine nachrichtendienstliche Beobachtung des Vereins.

Gestern nun hat der Parteivorstand einen Beschluss gefasst, in dem sich ein Punkt mit der Aufarbeitung der Geschichte befasst. Dagegen stimmte nur Sahra Wagenknecht von der Kommunistischen Plattform. In dem Beschluss heißt es, dass sich „der Vorstand gegen Versuche wendet, die kritische Aufarbeitung der Geschichte durch die Linkspartei.PDS zurückzudrehen und die für die Gesellschaft der DDR auch prägenden autoritären Strukturen zu relativieren“. Weiter heißt es in dem Beschluss, dass das „Rentenstrafrecht sich nicht zur Vergangenheitsaufarbeitung eigne und kein Sanktionsinstrument sein soll“. Zudem distanziert sich der Parteivorstand von der politischen Instrumentalisierung von Stasiunterlagen zur Diskreditierung von Personen.

Die stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei.PDS, Katja Kipping, erklärte gegenüber der taz, dass es „ganz wichtig ist, sich von Versuchen der GRH zu distanzieren, das DDR-Unrecht zu relativieren“. Dem Ehrenvorsitzenden der Linkspartei, Hans Modrow, der Kontakte zu Verbänden früherer Funktionäre pflegt, warf sie einen „eher unkritischen Umgang“ vor.