Ziviler Ungehorsam

Fußballverbände in Afrika sind von Korruption und Vetternwirtschaft befallen, siehe Togo. Doch die Söldnerriege weißer Fußballtrainer spielt munter mit beim Ausverkauf afrikanischer Mannschaften

AUS LAGOS HAKEEM JIMO

Das Chaos brach nicht erst in Deutschland aus. Seit einigen Monaten schon gärt es im togolesischen Fußballverband. Genauer gesagt nach den beiden letzten Turnieren. Zuerst kassierte Togo in einem Länderturnier im Iran Ende vergangenen Jahres nur Niederlagen. Das hätte die Volksseele dem damals nigerianischen Nationaltrainer vielleicht noch verziehen. Doch das Versagen beim Afrika-Cup Anfang diesen Jahres war zu viel. Nicht ein Sieg und kein Tor. Dabei hatte sich doch das kleine westafrikanische Land zum ersten Mal in seiner Fußballgeschichte für die WM qualifiziert. Der nigerianische Coach wurde gefeuert, obwohl er das Team von Grund erneuert hatte. Viele Togolesen sagen heute, das Politiker mit ihrer eigenen Agenda ihm in die Arbeit hineingepfuscht hatten.

Wie sehr fußballerische Angelegenheiten auch politische Angelegenheiten sind, zeigen folgende Beispiele: Bei einer lang vergangenen Weltmeisterschaft entschied der noch heute amtierende Präsident von Kamerun entgegen den Plänen des Nationaltrainers, den alternden Roger Milla spielen zu lassen. Von dem glücklichen Händchen bei dieser Entscheidung soll gar nicht die Rede sein. Der nigerianische Militärdiktator General Sani Abacha gab Mitte der 90er-Jahre dem Fußball wesentlichen Platz in seiner nationalen Entwicklungsagenda. Der bis zu seinem Tod im vergangenen Jahr fast vier Dekaden in Togo herrschende Staatschef hinterließ seinen Untertanen nicht nur einen seiner Söhne als Nachfolger, sondern einen anderen als Chef des nationalen Fußballverbandes. Korruption und Willkür in afrikanischen Fußball- und Sportverbänden sind alltäglich. Immer wieder muss die Fifa einem Verband mit Ausschluss drohen, weil dieser gegen internationale Statuten verstößt: bei Problemen mit Transparenz und Wahlprozeduren wie in Nigeria und Ghana.

Dabei reiben sich Afrikaner genauso die Augen wie jetzt die Welt beim Abgang des togolesischen Nationaltrainers. Nigerianer begreifen bis heute nicht, wie man die Nationalmannschaft im entscheidenden WM-Qualifikationsspiel gegen Angola im brütend heißen Norden Nigerias auf einem besseren Bolzplatz spielen lassen konnte, nicht an einem kühleren Ort mit besseren Bedingungen. Die Erklärung ist einfach. Der Chef des Fußballverbandes wollte das Ereignis in seine Heimatstadt bringen. Seit Jahren ist es vielen Nigerianern ein Ärgernis, dass die Funktionärsdelegation wie bei der vergangenen Olympiade größer ist als die der Athleten.

Aber anhand dieser Missstände allein eine Bestätigung alt eingesessener Klischees zu erkennen greift zu kurz. Womöglich, Die Zustände in Afrika sind oft chaotisch. Und natürlich sind afrikanische Fußballverbände von Korruption und Vetternwirtschaft befallen. Doch der geflohene togolesische Nationaltrainer Otto Pfister, der am Montagabend plötzlich erklärte, als Trainer wieder zurückkehren zu wollen, kommt aus Deutschland. Afrikanische Fußballverbände lassen sich auf kulturfremde Trainer ein, weil sie glauben, so Disziplin herstellen zu können. Doch die Söldnerriege weißer Fußballtrainer spielt munter mit, wenn es um den Ausverkauf afrikanischer Mannschaften geht. Von Ehre und nationaler Aufgabe ist oft wenig zu spüren. Fleißig wird mitverdient beim Verschachern junger Talente. Die afrikanischen Eliten, die Gelder für die Spieler in ihre eigenen Taschen abzweigen, hoffen dann, dass die Spieler vor Ort bei der WM Skrupel haben, sich zu verweigern. Genau das haben die togolesischen Spieler getan. Ein Beispiel zivilen Ungehorsams gegen korrupte Regime und Institutionen.