Die deutsche Tabaklobby hustet

Eine fraktionsübergreifende Initiative im Bundestag kämpft für ein Verbot des Rauchens in der Öffentlichkeit. Deren Chancen steigen – dank des Drucks der Europäischen Union

BERLIN taz ■ Irland hat es vorgemacht, es folgten Norwegen und Schweden. Italien hält sich daran. Und auch England steht es bevor: das Rauchverbot in der Öffentlichkeit. Noch ist Deutschland eines der letzten europäischen Refugien der RaucherInnen. Doch das könnte sich nun ändern. Der Druck wächst.

Der Heidelberger SPD-Abgeordnete Lothar Binding hat einen Gruppenantrag im Bundestag initiiert, der das Rauchen ab dem 1. Januar 2007 in allen öffentlichen Räumen verbieten will. Ohne Ausnahme. Und nicht nur Binding rechnet mit einer breiten Zustimmung für seine fraktionsübergreifende Initiative. „Ich gehe davon aus, dass wir die notwendige Stimmenzahl zusammenbekommen“, sagte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gestern der taz. Er ist ein Mitstreiter Bindings.

Zwar hat der passionierte Pfeifenraucher und SPD-Fraktionschef Peter Struck bereits angekündigt, gegen den Gesetzentwurf zu stimmen. Auch Unionsvize Wolfgang Bosbach lehnt den Vorstoß als zu bürokratisch ab. Doch nicht nur Grüne und Linke haben Bindung ihre Unterstützung zugesagt. Die SPD-Fraktion werde „mehrheitlich“ zustimmen, glaubt Lauterbach. Vor einer Woche sah das allerdings noch anders aus: Rund 50 der 222 SPD-Abgeordneten im Bundestag hatten die Binding-Initiative befürwortet. Immerhin genug, um einen Gruppenantrag ins Leben zu rufen. Selbst in der Union gewinnt ein Rauchverbot zunehmend Befürworter: Fraktionsvize Katherina Reiche (CDU) bekundete „große Sympathie“. Die Drogenbeauftragte der Fraktion, Maria Eichhorn (CSU), hält eine Zustimmung für denkbar.

Bosbach hingegen verweist auf eine freiwillige Vereinbarung der Bundesregierung mit dem Hotel- und Gaststättenverband Dehoga. Demnach sollen 90 Prozent aller Gaststätten bis 2008 mindestens die Hälfte ihrer Plätze für NichtraucherInnen reservieren. Aus dem Kleingedruckten aber ergibt sich: Die große Mehrheit aller Kneipen und Restaurants bleibt wohl von der Selbstverpflichtung ausgenommen.

Lange konnte die deutsche Tabaklobby um den Verband der Cigarettenindustrie (VDC) Initiativen wie die von Lothar Bindung verhindern. Doch mittlerweile gehen ihr die Argumente aus. Die Zeiten, da die wissenschaftliche Gemeinde hierzulande uneins war über die Schädlichkeit des Passivrauchens, sind vorbei. Zahllose Wissenschaftler hat die Industrie unterstützt, auch den früheren Leiter des Bundesgesundheitsamts Karl Überla.

Doch anders als von Lobbyisten behauptet, dient ein Nichtraucherschutz nicht allein der Gesundheit – sondern auch dem Umsatz der Gaststätten. Das zeigen Beispiele aus der ganzen Welt. Nicht nur in Schweden kommen oft mehr Gäste als früher, sagt der dortige der Verband der Hotel- und Restaurantbranche. Auch in New York oder Kalifornien verzeichnen die Bars bessere Geschäfte, seit sie rauchfrei sind. Selbst die irischen Pubs verdienen nicht schlechter als früher, hat die Weltgesundheitsorganisation herausgefunden – weil mehr Nichtraucher in die Kneipe gehen als früher. Und weil mehr Geld fürs Bier bleibt, wenn für Zigaretten keines mehr gebraucht wird. Jan Zier