SPD hat Kultursenator im Visier

Wird die Kulturverwaltung nach der Wahl der Senatskanzlei zugeschlagen? Die SPD-Gerüchte um das Ende eines eigenständigen Kulturressorts zielen auf das Ende von Amtschef Flierl. Der will das nicht

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Arbeitsplatzgarantien sehen anders aus. Denn ein weiters Mal rüttelt die SPD am Stuhl des Kultursenators Thomas Flierl (Linkspartei). Neu ist, dass nicht nur der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sich nach der Parlamentswahl im September eine Senatsliste ohne die Beteiligung des von ihm ungeliebten Flierl vorstellen kann. Auch innerhalb der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus gibt es Anzeichen, dass Flierl abgelöst und zudem das eigenständige Ressort Kultur aufgegeben werden sollte. Es könnte der Senatskanzlei zugeschlagen werden. Dessen Leiter, André Schmitz, ist bekannt für seine kulturpolitischen Ambitionen. Die jüngsten Diskussionen um dessen (gestern erst mal zurückgestellte) Gehaltserhöhungen auf Senatorenniveau werden darum ebenfalls als Indizien gedeutet, nach der Wahl sein Amt auszuweiten.

Berlin wäre nach Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen das dritte Bundesland, in dem das Kulturressort an die Kanzlei des Regierungschefs angedockt würde. Forschung und Wissenschaft könnten – wie schon unter der großen Koalition aus CDU/SPD in den 1990er-Jahren – in einer anderen Senatsverwaltung aufgehen. Diese SPD-Überlegungen haben am Wochenende und zu Wochenbeginn die Runde gemacht.

Zwar wies die Linkspartei gestern die Überlegungen, Kultursenator Thomas Flierl sowie die Kulturverwaltung als eigenständiges Senatsressort nach der Wahl in die Wüste zu schicken, als „haltlose Gerüchte“ zurück. Die Arbeit von Flierl sei erfolgreich gewesen, sagte Wolfgang Brauer, kulturpolitischer Sprecher der Links-Fraktion. Vom Tisch sind die Anwürfe dennoch nicht.

Nach Informationen der taz soll SPD-Fraktionschef Michael Müller am Wochenende Überlegungen geäußert haben, dass in einem neuen Senat Flierl nicht mehr mit von der Partie sei. Es sei vorstellbar, dass die Kulturverwaltung als eigenständige Abteilung aufgelöst und der Senatskanzlei zugeschlagen werde. Gegenüber der Nachrichtenagentur dpa räumte zudem SPD-Fraktionssprecher Peter Stadtmüller diese Überlegungen nicht aus, blieb aber vage. Es gebe keine konkreten Pläne in seiner Partei, das Kulturressort aufzulösen, weil selbstverständlich sehr viel vom Wahlergebnis abhänge, sagte Stadtmüller.

Eine Zusammenlegung des Ressorts Wirtschaft mit der Wissenschaft finde sich allerdings als „weit verbreitete Idee bei mehreren Fraktionen“, ohne dass sich seine Partei dazu schon festgelegt hätte. Die Kultur als eigenständiges Ressort sei aber ebenso weiter vorstellbar, so Stadtmüller.

Alice Ströver (Grüne), Vorsitzende des Kulturausschusses, wiederholte gegenüber der taz die Gerüchte, dass die Sozialdemokraten das Ende des Kulturressorts im Auge hätten. Aus Sicht der SPD wäre das eine elegante Lösung, den Kultursenator loszuwerden, sagte sie. Ströver wandte sich zugleich vehement gegen die Abschaffung eines eigenständigen Senatsressorts Kultur. Das wäre für die Szene „verheerend“ und für die Kulturmetropole Berlin ein falsches Signal. Als Anhängsel der Senatskanzlei würde die Kultur an Bedeutung verlieren.

Und der Betroffene selbst? Der Kultursenator hat trotz Kritik an seiner Amtsführung immer betont, das Amt weiterführen zu wollen. Das Interesse daran sei „sehr stark“, wie sein Sprecher es nennt. Auf dem Landesparteitag am Wochenende hat Flierl dies bekräftigt und sich gegen eine mögliche Ansiedlung der Kulturpolitik in der Senatskanzlei gewehrt. Kulturpolitik gebe es bei einem rot-roten Senat nur mit Beteiligung der Linkspartei, so der Senator. Er sieht sich also weiter als Akteur, andere sehen das anders.