Flierl muss an zwei Fronten kämpfen

Kultursenator Thomas Flierl ist auch in der eigenen Partei umstritten. Vielen in der PDS ist er zu unentschieden, andere sehen ihn als Vorboten von Studiengebühren. Doch seinen Posten wird der Zauderer frühestens nach der Wahl los

Der Applaus ebbte schnell ab, als der Redner vom Pult abtrat. Thomas Flierl hatte gerade mehr als vier Jahre Wirken als Kultursenator Revue passieren lassen, doch enthusiastisch reagierten seine Zuhörer Anfang Mai nicht. Das wäre nicht weiter schlimm, hätte es sich bei dem Publikum nicht um die Delegierten seiner eigenen Partei gehandelt.

Flierl, seit Beginn der rot-roten Regierung im Januar 2002 Senator für Wissenschaft, Forschung und Kultur, war nie der Liebling seiner Partei. Vor seiner Ernennung war der Name Lothar Bisky ins Gespräch gewesen, Flierl selbst hatte eher an einen Staatssekretärsposten gedacht. Denn trotz langer Mitgliedschaft bei SED und PDS hat der 48-Jährige keinen großen Rückhalt in der eigenen Partei.

Flierl hat es schwer: Viele junge Linksparteiler verbinden mit ihm die Aussicht auf die Einführung von Studiengebühren in Berlin. Sie zu verhindern, trauen sie Flierl kaum zu. Der Ex-Baustadtrat von Mitte ist auch deshalb ins Senatorenamt gelangt, weil manch anderer den undankbaren Posten eines Zusammensparers bei der Kultur verschmähte.

Zu abstrakt und damit letztlich unverfänglich erscheint der Senator selbst vielen Parteifreunden. Auf einer Podiumsdiskussion im März sprach Flierl ehemaligen Stasi-Mitarbeitern die Rolle von „Zeitzeugen“ zu. Für das ausgebliebene Eintreten für die Opfer der DDR-Repression bezog er von allen Seiten Prügel, hinter verschlossenen Türen auch von Genossen. In der Regierung haben sie sich über Jahre um den Nachweis rechtsstaatlicher Gesinnung bemüht, nun ramponierte Flierl dieses Image.

Doch nach außen hin tut die Linkspartei gut daran, Flierl zu verteidigen: Bei der Wahl zur Landesliste kam er auf Platz 4. Wer drei Monate vor der Wahl einen angeschlagenen Senator abschießt, begeht Suizid aus Angst vor dem Tode. Nach der Wahl kann die Linkspartei Flierl immer noch preisgeben und dies als Zugeständnis an eine starke SPD verkaufen. Bis dahin wählen die Genossen eine bewährte Methode: Sie verteidigen ihren Mann, aber sie machen ihn nicht unersetzlich. „Unverzichtbar“ ist die „Arbeit eines Kultursenators“ laut ihrem kulturpolitischen Sprecher Wolfgang Brauer. Erst dann setzt er hinzu: „Flierls Arbeit ist zudem erfolgreich.“

Doch nicht die Rettung der drei Opern unter dem Dach der Opernstiftung zieht Brauer zur Verteidigung des Senators heran, ebenso wenig das Gedenkkonzept für die Berliner Mauer. Stattdessen konstatiert er: „Zum ersten Mal seit zehn Jahren hat Berlin einen Kultursenator, der nicht vor Ablauf einer Legislaturperiode wegen mangelnder Durchsetzungsfähigkeit das Handtuch schmeißen musste.“ Die Verweildauer im Amt gerät so zum schwachen Argument, den Inhaber dort auch zu belassen. Zumindest bis zur Wahl.MATTHIAS LOHRE