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: Zelten am Sommerbad: Besonders Schweden lieben Zwischennutzung

Alle gucken Fußball. Die taz auch. Bis zum Ende der WM berichten wir täglich live von den Berliner Spielplätzen. Heute: Brasilien – Kroatien auf dem Zeltplatz „tentstation“.

Wenn man am neuen Hauptbahnhof aussteigt und auf das Brachland rund um den Bahnhof blickt, möchte man eigentlich gleich wieder weiterfahren. Aber Aussteigen lohnt sich. Nur fünf Gehminuten sind es zum Zeltplatz Tentstation, wo WM-Fans übernachten sowie Fußballtage und -nächte verbringen können. Und Spaß haben dürfen.

Genau das versprechen die vier Initiatoren der Tentstation, dem ersten urbanen Zeltplatz mitten in Berlin. Bei der Partie Brasilien gegen Kroatien am Dienstagabend versammelten sich etwa 60 Camper und Gäste vor der großen Leinwand. Deutlich in der Überzahl: Camper aus Schweden in ihren blaugelben Trikots, die den Abend hauptsächlich mit Kartenspielen – um Geld mit echten Jetons – verbringen. Erst gegen 21 Uhr legten auch sie die Karten beiseite.

Dass die Sympathien von den Brasilianern zu den Kroaten wechselten, war eindeutig, hoffte doch die Mehrheit auf ein Tor der Kroaten. Getrauert wurde nach dem 1 : 0 für Brasilien durch Kaka aber nicht. Dazu sind die Schweden in zu großer Vorfreude auf ihr Spiel am Donnerstag.

Die Tentstation auf dem Gelände eines ehemaligen Sommerbades ist günstiger als eine Pension, und sie bietet mehr als ein Campingplatz. Eine der vier OrganisatorInnen, Sarah Oßwald, kam beim der Recherche für ihre Examensarbeit zum Thema Zwischennutzung vor circa einem Jahr auf die Idee, den urbanen Campingplatz mit integrierter Freizeitgestaltung für Nicht-Camper aufzumachen.

Im dem Sommerbad, das vor vier Jahren stillgelegt wurde, empfängt die WM-Besucher eine lockere und provisorische Atmosphäre. Die 125 Zeltplätze auf der Liegewiese sind nummeriert, aber weitgehend frei belegbar. Einen langen Verbotskatalog, wie ihn etwa das benachbarte Fan Camp 2006 des Senats aufgestellt hat, sucht man hier vergeblich. „Wir wollten eben keinen typischen Campingplatz mit Zäunen und Gartenzwergen, sondern eher Festivalflair schaffen“, erklärt Mitinitiatorin Jessica Zeller. Deshalb gibt es auch keine feste Nachtruhe, „obwohl es schon schön wäre, wenn die Leute gegen Mitternacht ruhig sind“.

Der Krach kommt meistens von der Terrasse über dem einstigen Beckenbereich, wo heute eine Bar und bunt zusammengewürfelte Sitzmöbel vor einer großen Leinwand stehen. Bei bei den Fußball-Live-Übertragungen ab 15 Uhr geht es dort los, sowohl Camper als auch Besucher treffen sich vor der Leinwand. Unter dem Terrassendach sitzt man in einer angenehmen Brise und in unmittelbarer Nähe zur Bar.

Während der Spielpausen toben sich vor allem große und kleine Jungs am Ball aus, entweder in dem mit Sand aufgeschütteten kleineren der beiden Becken oder am Kickertisch. „Wir können hier in Ruhe ein Bier zischen, grillen und die WM genießen, während die Kinder spielen“, freut sich eine Mutter. So lassen sich locker acht Stunden Fußball-Übertragung überstehen.

Sarah Oßwald schätzt vor allem das Nebeneinander des alternativen Publikums, „das garantiert kein Hotel hinbekommt“. Wenn heute Schweden gegen Paraguay spielt, hoffen Oßwald und Co., dass die trinkfreudigen Schweden-Fans nicht übermütig werden. Im Notfall gibt es eine unlockere Maßnahme: Man ruft nach der Security!

Und nach der WM? Da hofft das Team weiterhin auf eine gute Mischung aus Campern und Berlinern und für den nächsten Sommer auf eine Verlängerung der Zwischennutzung. „Schließlich haben wir nicht umsonst 180 Tonnen Sand in das kleine Becken gekippt“, sagt Oßwald. DAGNY KLEBER

Die Tentstation (www.tentstation.de) liegt an der Seydlitzstr 6. Eine Übernachtung kostet pro Person 15 Euro. Tel.: 39 40 46 50