japan bietet familienpolitisch einiges – vergeblich
: Nippons von der Leyen hat es schwer

taz-Serie: Elternzeiten anderswo. Teil IV: Japan. Deutschland führt 2007 das Eltergeld ein. Die taz beschreibt Familienpolitik weltweit. Bisher: Finnland, Russland und Island

Reiko Tanaka aus dem japanischen Städtchen Matsue hat es versucht: Nach der Geburt ihrer Tochter nahm sie als Erste in ihrer Internetfirma den gesetzlich garantierten Erziehungsurlaub von 12 Monaten. Danach schickte sie ihr Kind in eine Kindertagesstätte. In der Regel gibt es genug Plätze für den Nachwuchs und eine intensive Betreuung von 8 bis 18 Uhr. Dennoch klagt die 43-jährige Webmasterin: „Mit normalen Nerven schafft man es einfach nicht, sowohl Beruf als auch Kinder zu haben.“ Was Tanaka wie viele junge Mütter in Japan plagt, ist das tägliche Gerenne zwischen Haus, Firma und Kita ohne jede Hilfe ihres Mannes. Tanakas Mann arbeitet als Beamter im Rathaus der Stadt. Er verbringt so viel Zeit im Büro, dass Tanaka ihn für Familienaufgaben nicht einplanen kann. Er gehorcht dabei nur der Norm. Auch die Mutter bekommt jedes Mal, wenn ihre Tochter krank war und sie zu Hause bleiben musste, am Arbeitsplatz schiefe Blicke. „Solange man beim Arbeiten ein schlechtes Gewissen wegen seiner Kinder haben muss, wird die Zahl der Kinder in Japan nicht zunehmen“, meint Tanaka.

Dabei tut die japanische Regierung einiges für den Nachwuchs. Mütter oder Väter haben Anspruch auf ein Jahr Erziehungsurlaub, in der der Staat 40 Prozent des Einkommens zahlt. Zwischen 2002 und 2004 wurden 150.000 neue Betreuungsplätze geschaffen, bis 2009 soll ihre Zahl auf 2,15 Millionen steigen. Tagesmütter sind fast unbekannt, viele Japaner greifen auf die Großeltern zurück. Dennoch geht die Geburtenrate zurück: 2005 lag sie bei 1,25 Kinder pro Frau, im weltweiten Vergleich eine der schlechtesten Raten. Nicht umsonst hat das Land neuerdings ein Ministerium gegen Geburtenrückgang und für Geschlechtergleichstellung. Kuniko Inoguchi heißt die japanische Ursula von der Leyen – und hat Zwillinge, ohne die sie ihr Amt kaum bekommen hätte. Inoguchi will das Kindergeld erhöhen. Derzeit gibt es für ein Kind unter 12 Jahren 35 Euro im Monat.

An der Geburtenrate wird sie damit kaum etwas ändern können. Obwohl 70 Prozent aller Frauen ihren Beruf aufgeben, wenn sie schwanger sind, möchten die meisten nur ein Kind. Denn selbst wenn die Frauen aussteigen, gibt es wenig Aussicht auf ein aktives gemeinsames Familienleben. Die Arbeitsbedingungen des Partners machen es unmöglich: Väter mit Kindern unter 6 Jahren arbeiten durchschnittlich mehr als 10 Stunden an Wochentagen und 4 Stunden am Wochenende. Nur 0,56 Prozent von ihnen nimmt Erziehungsurlaub. Um die Kinder kümmern sich die Japanerinnen.

CHIKAKO YAMAMOTO