Der weiße Angolaner

Zuerst hielt João Ricardo das 0:0 seines Teams gegen Mexiko fest, nun hofft der vereinslose Torhüter auf einen Vertrag

AUS HANNOVER ANDREAS RÜTTENAUER

In der 88. Minute des Spiels Mexiko gegen Angola schien Rafael Márquez genug zu haben vom bemühten, aber trägen Spiel seiner Mannschaft. Der mexikanische Kapitän legte all seine Kraft in einen Distanzschuss. Die immer aufgekratzten Journalisten aus Mittelamerika sprangen auf und setzten an zu ihren langen „Gooooooool“-Rufen. Doch die Schreie erstarben umgehend. Ein gewisser João Ricardo streckte sich, kam irgendwie an den Ball und lenkte ihn ins Aus. Es blieb beim 0:0. Kurz darauf wurde der angolanische Schlussmann als bester Spieler der Begegnung ausgezeichnet.

Er war der erste Torhüter, dem diese Ehre während des Turniers zuteil wurde. Und nicht nur Ricardo La Volpe, der Trainer der Mexikaner, wunderte sich nach dem Spiel. „Was?“, fragte er, als er hörte, dass Ricardo seit zwölf Monaten ohne Verein ist und schüttelte den Kopf. „Er wird bestimmt einen finden, er wird gewinnen und verlieren, ganz normal eben.“

João Ricardo ist gelungen, was sich wahrscheinlich viele Spieler der so genannten Kleinen im Weltfußball für dieses Turnier vorgenommen haben: Er hat sich empfohlen. Er ist zwar schon 36 Jahre alt, hat aber noch Ziele. Keine besonders großen. Seine Wünsche sind ganz bescheiden. Am liebsten würde er in Portugal noch einmal einen Vertrag unterschrieben. Bis vor einem Jahr spielte er dort in der ersten Liga in der Nähe von Giumaraes beim Moreirense Futebol Clube. Nach dessen Abstieg aus der portugiesischen Superliga erhielt er keinen neuen Vertrag mehr. Ein Wechsel zum Zweitligisten Desportivo das Aves scheiterte ebenfalls. Seitdem muss Ricardo alleine oder zusammen mit den Torhütern des SC Portimonense im Süden Portugals trainieren. Spielpraxis kann er einzig und allein in der angolanischen Nationalmannschaft sammeln.

Dort ist er allerdings unumstritten. Nach dem entscheidenden 1:1-Unentschieden in der WM-Qualifikation beim großen Favoriten Nigeria, wurde er von seinen Mitspielern für seine Leistung beinahe ebenso als Held gefeiert wie nach dem ersten Punktgewinn für Angola in der WM-Geschichte am Freitagabend. Es war wohl der größte Auftritt in seiner Laufbahn.

Denn eine große Karriere liegt nicht unbedingt hinter dem Mann, der sich zwischen den Pfosten so geschmeidig zu bewegen vermag. Auch nach dem Spiel, beim Gang durch die Mixed Zone oder auf dem Weg zum Podium im Raum der Pressekonferenz scheint es, als habe er seinen Körper bis in die Fingerspitzen stets im Griff. Ruhig und überlegt antwortet er auf die Journalistenfragen. Sein Lächeln verrät Stolz. Für ihn ist der Bierkrug eines Sponsors, den der von der Fifa gekürte „Man of the Match“ erhält, etwas ganz Besonderes. Er widmete die Trophäe der ganzen angolanischen Nation. „Unser Land ist durch schwere Zeiten gegangen, deshalb ist diese Auszeichnung eine für die ganze Nation“, sagte er.

Dabei ist Angola schon lange nicht mehr seine Heimat. Der Sohn portugiesischer Eltern musste 1975 nach dem Ende des Kolonialregimes mit seiner Familie das Land verlassen. Seither lebt er mit zwei Staatsbürgerschaften in Portugal. Erst als im Jahr 2000 der angolanische Verband begann, in Portugal Spieler auszuspähen, die in Angola geboren wurden oder Vorfahren dort hatten, wurde Ricardo, der hauptsächlich in der zweiten portugiesischen Liga gespielt hat, ein Thema für die Nationalmannschaft. Der wie Ricardo weiße Mittelfeldspieler Figueredo, der als Profi durch die unteren portugiesischen Ligen tingelte, wurde ebenfalls auf diese Weise für die angolanische Nationalmannschaft entdeckt.

Aber von Portugal redet João Ricardo in diesen Tagen kaum. Solange er für die Nationalmannschaft spielt, ist er ein glühender angolanischer Patriot. Er mag es nicht, über sich allein und seine persönliche Leistung zu sprechen. Nur ungern steht er im Mittelpunkt, denn er sieht sich lediglich als Teil einer nationalen Mission. In beinahe jedem Satz, den Ricardo nach seinem Paradeauftritt äußert, kommt die Nation vor. „Ich bin mir sicher, dass das Spiel ein besseres Licht auf unser Land werfen wird“, lautete einer davon. Sein Land hat sogar noch die Möglichkeit, sich für das Achtelfinale zu qualifizieren. Das wäre eine Sensation. „Wir können es wirklich schaffen“, sagt Ricardo ernst.