In Thailands Süden kehrt keine Ruhe ein

70 Bombenanschläge in den letzten Tagen. Kommission fordert unbewaffnete Friedensbrigade für die Muslimregion

BANGKOK taz ■ Thailands Süden kommt nicht zur Ruhe. Die drei muslimisch dominierten Provinzen an der Grenze zu Malaysia werden weiterhin von Anschlägen überschattet. Seit Donnerstag vergangener Woche detonierten in den Provinzen Yala, Pattani und Narathiwat etwa 70 zumeist kleinere Bomben, Dutzende von ihnen fast zeitgleich. Mindestens sechs Menschen kamen bei den jüngsten Attentaten ums Leben, mehr als 40 wurden verletzt.

Beobachter vermuten hinter den Anschlägen eine Warnung an die Regierung in Bangkok. Damit wollten die Hintermänner zeigen, dass sie jederzeit weitere Attentate verüben könnten. Ziele waren Polizeiwachen, Geschäfte und eine Grenzpatrouille.

Für die Regierung unter Thailands angeschlagenem populistischen Premier Thaksin Shinawatra hat sich die Lage im Süden längst zum politischen GAU entwickelt. Nahezu jeden Tag gebe es mittlerweile Berichte über Gewaltakte, beklagt beispielsweise Gothom Arya, ein Mitglied der Nationalen Versöhnungskommission (NRC). Die Kommission, die im Frühjahr 2005 sogar von Premier Thaksin selbst eingesetzt wurde, legte kürzlich ihren Untersuchungsbericht vor. „Wir brauchen unbedingt qualifizierte Autoritäten vor Ort“, sagt Arya zur taz.

Vor dem Hintergrund eines Machtmissbrauchs durch lokale, von Bangkok eingesetzte Staatsangestellte fordert der Menschenrechtler, dass „die besten für den Süden rekrutiert werden müssten“. Im mehrheitlich buddhistischen Thailand fühlen sich die Muslime des Südens seit Jahrzehnten als Menschen zweiter Klasse, die zudem als Sündenböcke für Bangkoks verfehlte Politik herhalten müssen.

Die NRC plädiert dafür, innerhalb des Militärs eine unbewaffnete Friedensbrigade zu etablieren, um die Verständigung mit der muslimischen Bevölkerung zu verbessern. Die Brigade solle vor allem in Sprache und Kultur der thailändischen Muslime geschult werden. In den Provinzen Yala, Pattani und Narathiwat wird neben Thai vor allem der heimische Yawi-Dialekt gesprochen. Des Weiteren schlägt die Kommission vor, ein ausschließlich von Muslimen besetztes Forum einzurichten. Dieses soll Vorschläge erarbeiten, wie die wirtschaftliche Entwicklung im armen Süden gefördert werden kann.

Ob sich die Empfehlungen der NRC umsetzen lassen, bleibt abzuwarten. Zu tief sitzen bei den Muslimen Misstrauen, Angst und auch Hass auf Thaksins Regierung. Ausgebrochen war die Welle der Gewalt im Süden im Januar 2004, nachdem mutmaßliche Rebellen ein Armeecamp überfallen hatten. Daraufhin hatte Thaksin zuerst das Kriegsrecht, anschließend den Notstand über die Region verhängt. Dieses erlaubt den Autoritäten, Verdächtige bis zu 30 Tage ohne Gerichtsbeschluss in Gewahrsam zu nehmen.

Als Synonyme für den blutigen Konflikt mit bisher mehr als 1.300 Toten stehen vor allem die 2004 von thailändischen Militärs verübten Massaker bei der Krue-Se-Moschee in Pattani und in dem Grenzstädtchen Tak Bai in Narathiwat. Zahlreiche Unschuldige waren dabei ums Leben gekommen.

Unter den Toten war auch der 14-jährige Sohn von Mastah, einer Bewohnerin aus Narathiwat. Nach einer Demonstration vor einer Polizeiwache in Tak Bai Ende Oktober 2004 hatten Militärs mehr als eintausend Demonstranten verhaftet und meist in Armeelastwagen verfrachtet. Die gefesselten Gefangenen wurden in Schichten übereinander gestapelt und in die benachbarte Provinz Pattani gebracht.

78 Muslime starben beim Transport. Die meisten waren erstickt, wie Thailands renommierteste Pathologin Pornthip Rojanasunand später später diagnostizierte. In dem Militärcamp fand sich zwei Tage später dann auch die Leiche von Mastahs 14-jährigem Sohn. Eine juristische Aufklärung hat die Muslimin lieber nicht gefordert: „Ich habe zu viel Angst“, erklärte sie der taz.

Ob die Regierung den Bericht der Kommission in allen Punkten akzeptieren wird, ist fraglich. Denn die Veröffentlichung fällt in eine politisch heikle Zeit. Thaksins Regierung gilt nach den annullierten Parlamentswahlen von Anfang April derzeit nur noch als Übergangsregierung. Und Neuwahlen für ein funktionierendes Parlament, das auch über Lösungen für den Konflikt im Süden beraten könnte, finden erst im Oktober statt.

NICOLA GLASS