„Alle müssen dahinterstehen“

Die Grünen wollen das große Rad drehen: Berlin soll sich für die Olympischen Spiele 2020 bewerben, fordert Fraktionschef Ratzmann. Mit Großflughafen und sanierten Finanzen stünden die Chancen gut

INTERVIEW MATTHIAS LOHRE

taz: Herr Ratzmann, Sie fordern die Bewerbung Berlins für Olympia 2020. Ist das die einzige Möglichkeit für die Grünen, im WM-Trubel noch Gehör zu finden?

Volker Ratzmann: Nein, Gehör finden wir schon genug. Aber die WM ist ein guter Anlass, darüber nachzudenken, ob und wann Berlin reif für Olympische Spiele ist.

Schon 1993 bewarb sich Berlin für Olympia 2000. Damals zählten die Grünen zu den lautesten Gegnern. Wieso der Sinneswandel?

Anfang der 90er-Jahre hatten wir die Wende zu meistern. Da war die Stadt alles andere als olympiareif. Kein Geld, keine Infrastruktur, keine Erfahrung mit Großereignissen. Damals war die Stadt überfordert. Seitdem ist viel passiert, und bis 2020 wird auch noch viel passieren. Berlin 2020 ist nicht das Berlin von 1993. Berlin wird dann einen neuen Flughafen und eine Großhalle am Ostbahnhof haben – die 02-Arena. Es lohnt sich, über ein seriöses Finanzkonzept nachzudenken.

1993 hatte Berlin weit weniger Schulden als heute. Wer soll die Investitionen in Stadien und Infrastruktur bezahlen?

Der Dreh- und Angelpunkt jeder Bewerbung ist das tragfähige Finanzierungskonzept. Es ist Aufgabe des Senats, dieses Konzept vorzulegen. Mit der PDS im Senat wird das sicherlich nichts. Der jetzige Senat scheitert schon, wenn es darum geht, die vorhandenen Sporthallen und -anlagen zu sichern. Wenn Berlin sich bewirbt, muss es den Anspruch haben, die Spiele transparent, seriös und sozial verträglich zu organisieren. Wenn eine solche Bewerbung ins Auge gefasst wird, müssen alle dahinterstehen: der Bund, die Länder, die Wirtschaft und vor allem die Berlinerinnen und Berliner.

Ist es nicht selbstmörderisch von den Olympia-Befürwortern wie Klaus Wowereit und Ihnen, sich gerade jetzt damit hervorzuwagen? In wenigen Monaten entscheiden die Karlsruher Richter, ob Berlin Milliarden-Haushaltshilfen zustehen.

Wo steht geschrieben, dass Olympische Spiele immer im finanziellen Desaster enden müssen? Wo sollen Einnahmen und Arbeitsplätze herkommen, wenn wir nicht den Anspruch haben, auch Großereignisse vernünftig meistern zu können? Die Richter in Karlsruhe werden keine Auflagen machen, die es verbieten, über die Zukunft der Stadt nachzudenken.

Wollen Sie drei Monate vor der Wahl den Bürgern zeigen, wie lokalpatriotisch die Grünen geworden sind?

Wir stehen auf Berlin, sonst würden wir nicht hier, sondern in Buxtehude wohnen. Nichts gegen Buxtehude.

Und unter welchem Motto stünde die WM? „Öko-Olympia“? „Olympia in Berlin – arm, aber sexy“?

2020 ist Berlin nicht mehr arm, sondern grün und sexy. „Die Welt zu Gast bei Freunden“ klingt doch für den Anfang nicht schlecht.