Ein kleiner Sieg fürs Kopftuch

Eine Kopftuch tragende Muslimin muss möglicherweise wieder zum Lehramtsreferendariat zugelassen werden. Bremen muss prüfen, ob eine behauptete Gefahr für den Schulfrieden schwerer wiegt als die Berufsfreiheit

Im Streit um die Zulassung einer Muslimin als Referendarin an einem bremischen Gymnasium hat Bildungssenator Willi Lemke (SPD) gestern vor dem Verwaltungsgericht Bremen eine Niederlage erlitten. Nun muss die Bildungsbehörde abwägen, ob die Gefährdung des Schulfriedens durch eine Kopftuch tragende Lehrerin schwerer wiegt als die grundgesetzlich verbriefte Berufsfreiheit. Wenn nicht, müsste die junge Frau vermutlich wieder als Referendarin aufgenommen werden. So jedenfalls lautet der Tenor des für heute erwarteten Urteils.

Geklagt hatte eine türkischstämmige Uni-Absolventin der Fächer Deutsch und Religionskunde, die als angestellte – nicht verbeamtete – Referendarin ihre Ausbildung abschließen will. Genau das hatte die bremische Schulbehörde ihr bislang strikt verwehrt. Es wurde sogar eigens ein Gesetz erlassen, um die Muslimin möglichst schnell aus der Schule zu entfernen.

Das Kopftuch sei eine „abstrakte Gefahr für den staatlichen Erziehungsauftrag und den Schulfrieden“, argumentiert Lemke mit Verweis auf eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Bremen. Genau dieses Urteil hatte das Bundesverfassungsgericht nachher beanstandet. Die Oberverwaltungsrichter hätten nicht genau geprüft, hieß es aus Karlsruhe.

Die Behörde verweist auf eine von der Bremischen Bürgerschaft erst im vergangenen Juni beschlossene Gesetzesergänzung. Danach darf das Erscheinungsbild eines Lehrers nicht dazu geeignet sein, die religiösen Empfindungen von Schülern und Erziehungsberechtigten zu stören und die weltanschauliche Neutralität öffentlicher Schulen zu beeinträchtigen.

Und genau gegen diese Neutralitätspflicht, so der Prozessvertreter Bremens gestern vor Gericht, „verstößt das Kopftuch“. Es könne nicht angehen, dass eine Lehrerin im Religionsunterricht ihr eigenes Bekenntnis „nach außen trage“. Zumal Bremen – religionsferner als andere Bundesländer – Unterricht in „Biblischer Geschichte“ erteilt, nicht Religionsunterricht.

Lemke reicht also schon eine „abstrakte“ Gefährdung des Schulfriedens, eine Unterscheidung nach Beamten und Angestellten, nach fertigen LehrerInnen und solchen in Ausbildung trifft er nicht. Das neu geschaffene Gesetz erlaube da keinen „Ermessensspielraum“, so sein Argument.

Die Richter sehen das offenbar anders. Sie wollen von der Behörde auch die Frage beantwortet wissen, ob die Referendarin im Kopftuch eine „konkrete“ Gefahr für den Schulfrieden darstellt. Ob die „abstrakte“ Gefahr schon ausreicht, ist für sie zumindest zweifelhaft. Das rechtliche Ergebnis einer solchen Prüfung sei nicht absehbar, betonte das Gericht gestern.

Volkert Ohm, der Verteidiger der jungen Frau, verweist auf die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr, als sie bereits an einem Gymnasium tätig war – mit Kopftuch, zumindest für ein Vierteljahr. Das Verwaltungsgericht Bremen hatte dies seinerzeit ausdrücklich gestattet – mangels anders lautender Vorschriften. Die wurden umgehend erlassen. Strittig ist nun, inwieweit insbesondere angestellte Referendare privilegiert sind. Das Verwaltungsgericht verwies gestern auf das Saarland und Baden-Württemberg, wo Ausnahmen für Referendare gelten. Das wäre auch in Bremen möglich, so der Tenor. Jan Zier