Siemens-Betriebsrat gibt Chefs Kontra

Der Siemens-Betriebsrat kritisiert den Milliardendeal des Konzerns mit Nokia: Die Fusion der Netzwerksparten sei der „radikalste Bruch in der Firmengeschichte“. Schuld sei „die schlechte Arbeit“ in der Chefetage. 6.000 Stellen sind bedroht

aus München MAX HÄGLER

Am Tag danach überwiegen die Fragezeichen bei den Arbeitnehmervertretern. Was wird aus Siemens, dem Elektroriesen, der am Montag bekannt gegeben hat, seine Com-Sparte, also die Netzwerksparte, in ein neues Unternehmen auszulagern. Die Abtrennung des Unternehmensbereichs COM ist „der bislang radikalste Bruch in der Geschichte des Hauses Siemens“, erklärten Siemens-Gesamtbetriebsrat und IG Metall zusammen.

Erst 2005 wurde die Handy- Sparte an den Mitkonkurrenten BenQ verkauft, jetzt geht auch noch die Bereich Festnetz-Telefonie und Netzwerk-Technik – eigentlich Kernbereiche des über hundertjährigen Konzerns – mit dem finnischen Technikunternehmen Nokia zusammen. In einem gemeinsamen Schreiben hatten Nokia und Siemens formuliert, dass dadurch rund zehn Prozent der Arbeitsplätze gestrichen werden, 6.000 wären es nach derzeitigem Stand. Aber noch liegen der überrumpelten Arbeitnehmerseite keine genauen Zahlen vor. Man hoffe, dass es keine Stellenstreichungen gebe, sondern sich die Arbeitsplätze durch die natürliche Fluktuation reduzieren, hieß es von Seiten der IG Metall. Diese Fragen werde man in den nächsten Wochen aber auch mit den finnischen Arbeitnehmer-Vertretern erörtern.

Und auch auf die Zukunft von Siemens hat die IG Metall noch keine wirklichen Antworten. Zu unklar sind noch die Ausgangsbedingungen. Aber im Gespräch mit der taz schimpft man auf das Management: Siemens hätte sicher die finanzielle Kraft gehabt, um sich selbst neu aufzustellen, sagt einer aus der Gewerkschaftsspitze. Auch die Arbeitnehmer wären bereit gewesen, mit anzupacken, um die Sparte aus den roten Zahlen zu holen, denn allen sei klar gewesen, dass es Sanierungsbedarf gebe. Der Grund sei die schlechte Arbeit des Managements. Zu spät hätte die Leitung auf die Digitalisierung reagiert. Jetzt gebe es keinen nationalen Player. Ob das künftige Management erfolgreicher agiere, sei zweifelhaft.

Mit im Management werden künftig auch die Finnen sitzen, und die scheren sich wenig um Ländergrenzen. Nokia-Vorstandschef Simon Beresford-Wylie sieht das neu entstehende Unternehmen Siemens Nokia Networks in einer „hervorragenden Angriffsposition“. Der Konzern werde durch seine breite Produktpalette und seine starke Position in Wachstumsmärkten zum Champion aufsteigen, ist sich der Nokia-Manager sicher.

An dem Gemeinschaftsunternehmen halten Siemens und Nokia jeweils 50 Prozent und in der Tat könnte die Verbindung aus Deutschlands größtem Elektronikkonzern und des weltgrößten Handy-Herstellers aus Finnland schlagkräftig werden. Mit einem Umsatz von 9,2 Milliarden von Siemens und 6, 6 Milliarden Euro von Nokia soll das deutsch-finnische Gemeinschaftsunternehmen die Hauptkonkurrenten Ericsson/Marconi und Alcatel/ Lucent abhängen, derzeit wäre Siemens Nokia Networks noch auf dem dritten Platz weltweit.

Unterdessen winkt in Indien schon der erste milliardenschwere Auftrag für Siemens Nokia Networks. Das umsatzstärkste Telekom-Unternehmen des Landes, Bharat Sanchar Nigam (BSNL), hat für den 3,8 Milliarden Euro schweren Ausbau seines Mobilfunknetzes fünf Gebote erhalten. Neben Siemens hatten sich auch Nokia sowie die Konkurrenten Ericsson, Motorola und ZTE um den Auftrag beworben. Die Lieferanten, die aus der Ausschreibung als Sieger hervorgehen, sollen 45,5 Millionen neue GSM-Leitungen sowie teilweise Mobilfunk der dritten Generation schaffen.