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Der Verkehrsverbund will bis Anfang 2007 ein Handy-Ticket in Bus und Bahn anbieten. Doch BVG und S-Bahn reagieren bockig wie Kinder. Warum es im Nahverkehr manchmal zugeht wie im Sandkasten

von ULRICH SCHULTE

Der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) ist für BVG und S-Bahn das, was ein Vater für zwei pubertierende Sprösslinge ist. Formal erziehungsberechtigt ignorieren ihn die Blagen einfach, wenn sie ihr eigenes Ding machen wollen. Wenn also VBB-Geschäftsführer Hans-Werner Franz ein Online-Ticket fürs Handy einführen will, „noch Anfang 2007“, wie er Journalisten Ende letzter Woche begeistert erzählte, heißt das noch lange nichts.

Dabei spricht aus Sicht des Verbundes, der die Rasselbande der Nahverkehrsbetriebe der Region vertritt, einiges für das neue Ticket-Spielzeug. Die Bus- und Bahnkunden könnten Tages- und Einzelfahrausweise bequem per Handy erwerben, so die Idee. „Die technischen Voraussetzungen sind längst vorhanden“, wirbt Franz. Und das ginge so: Wer ein Handy hat, das nicht älter als zwei Jahre ist, kann sich im Internet registrieren. Ab dann reicht auf dem U-Bahn-Steig ein Druck auf die Kurzwahltaste, und schon blinkt eine SMS auf dem Display – die jeder Kontrolletti als Ticket akzeptiert. Der Preis wird vom Konto abgebucht.

Doch Franz hat die Rechnung ohne die lieben Kleinen gemacht. Menno, das war meine Idee, motzt nämlich Kind eins, in diesem Fall die BVG. Tatsächlich basteln die Verkehrsbetriebe längst an dem System. Ein Feldversuch im Oktober 2002 lief gut: 8.000 Tickets wurden damals als Kurznachricht versandt. Weil jetzt aber Papa Verkehrsverbund mit autoritärem Ton vorprescht, reagiert die BVG, ganz Nahverkehrspunk, bockig. Offiziell klingt das so: „Wir sind sehr an diesem Vertriebsweg interessiert“, sagt Sprecher Klaus Wazlak. Aber die technischen Probleme seien doch noch gravierend. Geprüft werden müsse, ob Hacker garantiert keine Fälschungen herstellen könnten, so Wazlak. Auch die Frage, ob Busfahrer die Ticket-SMS im Vorbeigehen identifizieren könnten, müsse geprüft werden. Im Übrigen sei man „überrascht“ über den Vorstoß des VBB-Geschäftsführers.

Dessen Einlassung muss man ob der Widerstände als das interpretieren, was sie ist: eine Erziehungsmaßnahme, um die Bengel auf Trab zu bringen. Franz versucht zu überzeugen. Die Java-Technologie, eine Programmiersprache, die auch für Online-Banking genutzt wird, könne nicht geknackt werden, sagt er. Und ein hell erleuchtetes Display sei viel leichter lesbar als Stempel auf Papierfahrscheinen – auch für Busfahrer. Dann greift er zu dem Argument, das chronisch klamme Kids verstehen: „Die Vertriebskosten liegen niedriger als beim Verkauf traditioneller Fahrscheine.“

Kind zwei, in diesem Fall die S-Bahn, juckt das nicht. Es sitzt mit Kind eins in einer entsprechenden Arbeitsgruppe und kennt sich deshalb auch mit Handys aus. „Wir sind dabei, Angebote und Modelle zu analysieren“, sagt Sprecher Gisbert Gahler. Besonders die Wirtschaftlichkeit müsse geprüft werden. „Die Argumente innovativ und bequem reichen nicht, wenn andere Kunden die Mehrkosten mittragen müssen.“ Im Übrigen sei der VBB für das Ganze „weder federführend noch verantwortlich“.

Die Vision des VBB, dass Fahrgäste irgendwann einmal in ganz Deutschland per Handy Tickets buchen, ist also mit Vorsicht zu genießen. Schließlich sagen alle Eltern ihrem Nachwuchs eine große Zukunft voraus. Aber die Kunden können dem Sandkasten-Zoff entspannt zuschauen. „Handy-Tickets sprechen nur eine kleine Kundengruppe an, zum Beispiel junge Gelegenheitsfahrgäste“, sagt Christfried Tschepe vom Fahrgastverband Igeb. Er empfiehlt eine gesunde Portion Skepsis. „Eine neuer Vertriebsweg nutzt nichts, wenn dafür die Preise steigen.“