The winner is: Germany

Bisher waren wir in den Augen der Engländer hässlich, humorlos, ernst, und hinter jeder Ecke lauerte bei uns ein Nazi. Plötzlich lieben Engländer die Deutschen – dank Fußball, Feiern und Frauen

AUS DUBLIN RALF SOTSCHECK

Was ist bloß mit den Engländern los? Plötzlich fahren sie einen Kuschelkurs gegen die Deutschen. Die BBC bescheinigte den Gastgebern der WM, dass sie wider Erwarten doch Humor haben und durchaus zu feiern verstehen. Ein Boulevardblatt, das vor Jahren vor einem Spiel gegen Deutschland den englischen Spieler Paul Gascoigne mit Stahlhelm auf der Titelseite abgebildet hatte, zeigte nun ein Bild von deutschen Polizisten, die mit englischen Fans auf einer Straße in Frankfurt tanzen. Und vorgestern Abend lief im englischen Fernsehen ein Dokumentarfilm über Berlin, in dem die Hauptstadt und ihre Einwohner über den grünen Klee gelobt wurden.

Liegt das Wohlwollen darin begründet, dass viele Engländer wegen der Fußball-WM erstmals nach Deutschland gekommen sind? Eine Sarah Plunkett schrieb auf der BBC-Website: „Ich lebe schon lange in Deutschland und finde die Deutschen ziemlich nett. Sie sind freundlich und höflich. Ich bin nicht überrascht, dass viele englische Fans überrascht sind, wie offen sie von ihren Gastgebern empfangen wurden. Vielleicht rücken die englischen Medien ja nun von ihren Vorurteilen ab.“ Am meisten verblüfft die Besucher aus England, dass in Deutschland durchaus gelacht und gefeiert wird. „Diese WM öffnet vielen die Augen, dass die Deutschen gar keine langweiligen, erbärmlichen Leute sind“, schreibt Mick Trezise. Das findet auch Rick Smith: „Bevor ich zur WM fuhr, hatten mir vor allem die britischen Medien den Eindruck vermittelt, dass die Deutschen humorlos und superernst seien und keine Ahnung vom Feiern haben. Das ist Unfug. Ich liebe die Deutschen. Und ihre Frauen sind wunderschön.“ Roger Franklin zieht das Fazit: „Die Deutschen haben bereits gewonnen, egal wie weit ihre Mannschaft kommt. Ich glaube, dass diese Weltmeisterschaft der Wendepunkt in den englisch-deutschen Beziehungen sein wird.“

Das erwartet auch ein Omega auf der BBC-Website: „So wie das Turnier organisiert worden ist, wird es das Image der Deutschen auf Jahre hinaus verändern. Das war erstklassig.“ Dabei haben die Engländer den Deutschen schon immer Organisationstalent und Effizienz unterstellt. Auch diesmal ist „klinische Effizienz“ der beliebteste Begriff bei englischen Kommentatoren, wenn sie vom Spiel der Deutschen berichten. Bisher war das abwertend im Sinne von „tüchtig, aber langweilig“ gemeint, plötzlich klingt es anerkennend, beinahe liebevoll.

„Ist es nicht komisch“, fragt Laura Smith-Spark in der BBC, „wie zehn Tage Fußball die Vorstellung über andere Nationen bei so vielen Menschen verändern können?“ Die Gastgeber konzentrieren sich darauf, ihrer Million Besuchern eine gute Zeit zu bescheren, sagt Smith-Spark und stellt fest, dass ihnen das gelingt: „Ich mag dieses Land.“

Es ist aber, zumindest in den englischen Medien, immer noch eine gönnerhafte Liebe, eine „Don’t mention the war“-Liebe. Aber sie erwähnen den Krieg natürlich trotzdem bei jeder Gelegenheit, und keineswegs nur in der Boulevardpresse. Im Guardian war ein Bericht über das Konzentrationslager Dachau zu lesen, das nur eine Stunde vom Münchner Fußballstadion entfernt sei. Und die BBC fragte: „Gibt es eine Nation, die sich ihrer Geschichte bewusster ist als die Deutschen?“ Doch: die Engländer, jedenfalls was den Zweiten Weltkrieg betrifft. Das Schlusswort aber soll ein Sonny Pathak haben, der auf der BBC-Website in Deutsch schrieb: „Danke, Backenbaur.“