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Wir brauchen ein effektives System zur weltweiten Kontrolle des Waffenhandels, fordern Friedensnobelpreisträger. Am Montag beginnt dazu eine UN-Konferenz in New York

Die G-8-Staaten haben es in der Hand: Sie sind für 80 Prozent der Waffenexporte verantwortlich

Am Montag beginnt in New York eine UN-Konferenz über illegal verbreitete und gehandelte Klein- und Leichtwaffen, zu denen Kampfgewehre, Granatwerfer, Landminen, halbautomatische Maschinengewehre- und -pistolen gezählt werden. Zu dieser Konferenz werden etwa 2.000 Vertreter von UN-Mitgliedsländern, NGOs und anderen Gruppen erwartet. Dabei sind auch die britische Hilfsorganisation Oxfam, amnesty international und das Internationale Aktionsnetzwerk zu Kleinwaffen (IANSA), die in über 70 Ländern die Kampagne „Waffen unter Kontrolle!“ gestartet haben. Als Vorbild diente die erfolgreiche Initiative zum Verbot von Anti-Personen-Minen, die den Weg für die so genannte Ottawa-Konvention zum Verbot von Anti-Personen-Minen freimachte.

Ein Komitee von Friedensnobelpreisträgern hat den Entwurf für ein internationales Waffenhandelsabkommen ausgearbeitet: Es würde alle Exporte von Kleinwaffen und anderen konventionellen Waffen verbieten, die zu Verletzungen der Menschenrechte führen oder der nachhaltigen Entwicklung eines Landes schaden. Deutschland gehört zu den führenden Rüstungsexporteuren, hält sich aber bisher bei der Eindämmung des internationalen Waffenhandels sehr zurück.

Unter dem Eindruck der schrecklichen Ereignisse des Zweiten Weltkriegs wurde am 26. Juni 1945 die Charta der Vereinten Nationen in San Francisco unterzeichnet. 61 Jahre später, am 26. Juni dieses Jahres, beginnt in New York nun die Überprüfungskonferenz der UN für kleinere Waffensysteme. Dies wird die erste bedeutende UN-Konferenz über die weltweite Gefahr kleiner und leichter Waffen sein.

In den vergangenen Jahren tendierten die Diskussionen über Terror und Sicherheit dazu, den Fokus überwiegend auf die Frage der Massenvernichtungswaffen zu richten. Es gibt jedoch auch andere gravierende und gefährliche Probleme, die dringend nach Aufmerksamkeit verlangen. Dazu gehört ein effektives Waffenkontrollsystem für kleinere Waffensysteme. Es ist wichtig, zu verstehen, warum ein solches derzeit so dringend gebraucht wird.

Erstens wird für den Kauf kleiner Waffen von den Herstellern permanent und massiv geworben. Es ist sicher wahr, dass Waffenhandel nicht nur des Einsatzes williger Verkäufer, sondern auch williger Käufer bedarf. Doch das Werben für Waffen funktioniert genauso wie das Werben für Medikamente: Wenn wir von der Tatsache ausgehen, dass sich der Waffenkauf auf relativ wenige Hände beschränkt – zu den Kunden gehören typischerweise Regierungsbehörden, das Militär oder paramilitärische Einheiten (einschließlich aufständischer Rebellen) – und nicht in der betroffenen Bevölkerung verbreitet ist, dann ist es für die Händler des Todes oft eine relativ einfache und leichte Sache, die Käufer zu manipulieren. Der französische Ökonom Jean-Baptiste Say mag vielleicht vor zweihundert Jahren ein oft eher zweifelhaftes Prinzip verkündet haben, als er argumentierte, dass „Angebot stets seine eigene Nachfrage schafft“. Doch auf den Waffenhandel trifft diese Maxime alarmierend gut zu.

Zweitens ist der Waffenhandel jedoch gar nicht so schwer zu kontrollieren, wenn die internationale Staatengemeinschaft nur fest genug dazu entschlossen ist. Die Waffenproduktion ist im Allgemeinen regional konzentriert, und das trifft auch für den Waffenexport zu. Die Regierungschefs der G-8-Staaten sind verantwortlich für mehr als 80 Prozent der weltweiten Rüstungsexporte (2005 betrug ihr Anteil 84 Prozent). Außerdem hat sich die Staatengemeinschaft bereits auf früheren Zusammenkünften geeinigt, den Waffenhandel im Rahmen des Völkerrechts einzuschränken. Dennoch gibt es bislang keine abschließende Einigung zwischen den Staaten über die Standards, die für den Waffenhandel gelten sollen.

Auf der UN-Konferenz, die nun beginnt, müssen sich die Staaten auf weltweit gültige Prinzipien einigen, die Waffenhandel vor allem dann beschränken, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese Waffen für Völkermord und andere Verbrechen eingesetzt werden. Ein umfassender Ansatz müsste 1. die direkten Transaktionen, 2. den indirekten Handel, 3. den Zwischenhandel, 4. den Transithandel und 5. den Waffenumschlag einschließen. Danach könnte die UN-Generalversammlung auf eine Internationale Waffenhandelskonvention hinarbeiten.

Drittens kann die Konferenz erneut deutlich machen, dass die schrecklichen Konsequenzen des Einsatzes von Kleinwaffen weit über das eigentliche Töten und Verstümmeln hinausgehen. Kleinwaffen sind notwendige Bestandteile von Terrorismus, Bürgerkrieg und Gewalt im Allgemeinen. Sie führen dazu, dass soziale Dienste, Gesundheitsversorgung und Ausbildung in den betroffenen Regionen zerstört werden.

So werden langfristig Anreize für Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung genommen. Ein wesentlicher Teil der Probleme, denen sich Afrika seit den Siebzigerjahren ausgesetzt sieht, lassen sich auf diesen Kreislauf der Gewalt zurückführen.

Obwohl die G-8-Staaten bis vor kurzem keine aktive Rolle bei der Eindämmung des Waffenhandels übernommen haben, gibt es momentan doch einige ermutigende Signale zu verzeichnen, die von größerem Willen zeugen (es ist schwer vorstellbar, dass dieses Zaudern nicht auf die Tatsache zurückzuführen ist, dass diese Länder – mit Ausnahme von Japan – das meiste Geld mit dem Waffenhandel verdienen). Zudem ist es jedoch auch entscheidend, dass Nicht-G-8-Staaten in diesen Prozess stärker einbezogen werden.

Ein Kontrollsystem für Kleinwaffen ist genauso wichtig wie das für MassenvernichtungswaffenDer Kreis der Waffenkäufer ist klein: Regierungen, Militärs oder paramilitärische Einheiten

Mein Heimatland Indien hat gute Gründe, seinen Einfluss geltend zu machen, vor allem aufgrund seiner wachsenden Bedeutung auf dem internationalen Parkett: nicht nur, weil die Reduzierung der Zahl bewaffneter Konflikte weltweit ein wichtiges politisches Ziel darstellte, das von Indien verfolgt wurde, als es für seine Unabhängigkeit kämpfte. Auch heute leidet unser Land unter der illegalen Verbreitung von Waffen, die immer wieder Terrorakte ermöglichen.

Selbst China, momentan der siebtgrößte Waffenexporteur weltweit, hat ein wachsendes Interesse, das Eindringen von Waffen in sein Territorium zu begrenzen; das Gleiche gilt für die G-8-Länder. Sie haben aufgrund der anhaltenden Terrorbedrohung ein wachsendes Eigeninteresse (trotz der Gewinne, die diese Staaten aus dem Waffenhandel beziehen).

Alle Länder, trotz ihrer unterschiedlichen Partikularinteressen, teilen heute eine neue gemeinsame Verletzlichkeit. Die Zeit ist daher reif und geeignet, ein neues Kapitel aufzuschlagen für die effektive Kontrolle des weltweiten Waffenhandels. AMARTYA SEN