Anthroposophen ohne Schutz

SPD und CDU mit neuem Kompromiss beim Gleichbehandlungsgesetz: Im Geschäftsverkehr darf wegen der Weltanschauung diskriminiert werden. Ein Klagerecht für Betriebsräte wird dagegen nicht verhindert werden, es existiert nämlich schon

AUS FREIBURG CHRISTIAN RATH

Die SPD tut was für den Koalitionsfrieden. Kurz vor Verabschiedung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) haben die Sozialdemokraten noch einmal an einigen kleineren Punkten nachgegeben. Mal sehen, ob die Skeptiker in der Union jetzt Ruhe geben.

Die relevanteste Änderung betrifft den zivilrechtlichen Teil des AGG. Hier ist künftig die Diskriminierung wegen der Weltanschauung nicht mehr verboten. Mit der Änderung soll verhindert werden, dass sich Rechtsradikale mit dem AGG in der Hand Zugang zu Gaststätten und anderen Veranstaltungsstätten verschaffen. Die politische Gesinnung gilt zwar gar nicht als Weltanschauung im Sinne des AGG, aber SPD und CDU wollten Missverständnisse vermeiden.

Leidtragende sind nun vor allem die Anhänger Rudolf Steiners. Künftig kann ein Bäcker nicht mehr verklagt werden, wenn er an seiner Bäckerei ein Schild anbringt: „Keine Brötchen für Antroposophen“. Praktische Auswirkungen dürfte dies nicht haben, weil Diskriminierungen wegen der Weltanschauung im deutschen Geschäftsleben kaum anzutreffen sind. Die Scientology-Kirche betrachtet ihre Lehre als Religion und die Religion bleibt im Alltag weiter geschützt.

Eine weitere Placebo-Änderung betrifft die Klagefrist. Diese wurde im Arbeits- und Geschäftsleben jetzt auf 2 Monate verkürzt. Zuletzt lag die Frist bei 3 Monaten, davor bei 6 Monaten. Die Erleichterung für Arbeitgeber und Unternehmen ist nicht sehr relevant, weil die Frist erst zu laufen beginnt, wenn der Betroffene von der Diskriminierung erfährt – also nicht, wenn ein Schwarzer erfährt, dass er nicht zum Bewerbungsgespräch eingeladen wird, weil die Stelle schon vergeben sei, sondern erst dann, wenn er hört, dass zum gleichen Zeitpunkt drei Weiße eingeladen wurden.

Ausgehandelt haben die Änderungen Unions-Fraktionsgeschäftsführer Norbert Röttgen und sein SPD-Kollege Olaf Scholz. Röttgen stand unter Druck, einen Erfolg zu präsentieren. Kanzlerin Merkel hatte bei ihrer Regierungserklärung versprochen, EU-Richtlinien nur noch „eins zu eins“ umzusetzen. Auf Wunsch der SPD war sie dann jedoch beim Gleichbehandlungsgesetz, das Diskriminierungen im Arbeits- und Geschäftsleben verbietet, gleich mehrfach von diesem Grundsatz abgewichen. Der unionsdominierte Bundesrat hatte dies jüngst stark kritisiert.

Keine signifikante Änderung gab es beim Klagerecht des Betriebsrates im Falle von betrieblichen Diskriminierungen. Dieses geht zwar über EU-Vorgaben hinaus, ist aber auch heute schon im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehen.

Das Gesetz soll am Donnerstag beschlossen werden.